Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Hilfe zur Pflege. Vermögenseinsatz. Guthaben auf Giro- und Sparkonto. tatsächlicher Vermögensverbrauch. Maßgeblichkeit des zu Beginn des jeweiligen Monats im Bedarfszeitraum vorhandenen Vermögens
Orientierungssatz
1. Anders als für Leistungen nach dem SGB 2 gilt jedenfalls für die Hilfe zur Pflege keine taggenaue Betrachtung des zu berücksichtigenden Vermögens (zum SGB 2 vgl BSG vom 20.2.2020 - B 14 AS 52/18 R = SozR 4-4200 § 12 Nr 32 RdNr 34). Maßgeblich bleibt vielmehr das zu Beginn des jeweiligen Monats im Bedarfszeitraum zu berücksichtigende Vermögen.
2. Ein Sozialhilfeanspruch ist demnach nicht bereits dann ausgeschlossen, wenn das Vermögen den Schonbetrag übersteigt. Reicht das den Schonbetrag übersteigende zu berücksichtigende Vermögen zur Deckung des Hilfebedarfs im jeweiligen Monat nicht aus, liegt insoweit ein ungedeckter Bedarf vor.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 8. Oktober 2019 abgeändert. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin unter Abänderung des Bescheids vom 7. August 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Dezember 2018 Hilfe zur Pflege für Juni 2018 in Höhe von 540,39 Euro, für Juli 2018 in Höhe von 736,72 Euro, für August 2018 in Höhe von 709,52 Euro und für September 2018 in Höhe von 727,30 Euro zu gewähren.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt ein Drittel der außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen sowie im Widerspruchsverfahren.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Übernahme nicht gedeckter Pflegekosten für die Zeit vom 27. Februar 2018 bis zum 30. September 2018 streitig.
Die 1932 geborene, verwitwete Klägerin ist pflegebedürftig und in Pflegegrad 4 eingestuft (Pflegegutachten vom 30. März 2017). Sie bezog eine Witwenrente mit einem laufenden Zahlbetrag ab 1. Juli 2017 von monatlich 754,61 Euro, ab 1. Juli 2018 von monatlich 778,91 und eine Altersrente ab 1. Juli 2017 von monatlich 644,11 Euro, ab 1. Juli 2018 von monatlich 664,85 Euro. Für eine private Haftpflichtversicherung zahlte sie jährlich 102,76 Euro. Bis zum Februar 2017 wohnte sie in der Hauptstr. 109, 69214 E. im Landkreis des Beklagten. Im Februar 2017 befand sie sich zur Kurzzeitpflege im Pflegeheim, seit dem 16. März 2017 wohnt sie im Pflegeheim Seniorenzentrum L.-Haus in H., einer vertragsgebundenen stationären Pflegeeinrichtung. Die Pflegekasse gewährte der Klägerin im streitigen Zeitraum Pflegesachleistungen in vollstationären Einrichtungen i.H.v. 1.775,00 Euro sowie eine Monatspauschale für zusätzliche Betreuungsleistung gem. § 43b Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) i.H.v. 173,09 Euro monatlich.
Das Pflegeheim stellte - entsprechend der Vergütungsvereinbarung - der Klägerin ab Februar 2018 monatlich 2.333,51 Euro in Rechnung (Gesamtbetrag 4.281,60 Euro ./. Anteil Pflegekasse 1.948,09 Euro (Heimkosten 1.775,00 Euro und zusätzliche Betreuungsleistung 173,09 Euro)).
Einen ersten am 23. Juni 2017 gestellten Antrag auf Leistungen zur stationären Pflege nach §§ 61, 65 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) und zum weiteren notwendigen Lebensunterhalt in Einrichtungen nach § 27b Abs. 2 SGB XII sowie der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach §§ 41 ff. SGB XII lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 22. November 2017 ab mit der Begründung, die Klägerin könne ihren sozialhilferechtlichen Bedarf aus ihrem Vermögen decken. Das Vermögen von 17.440,00 Euro überschreite den Freibetrag von 5.000,00 Euro um 12.440,00 Euro.
Am 27. Februar 2018 stellte die Klägerin bei dem Beklagten erneut einen Antrag auf Leistungen der Hilfe zur Pflege, zum weiteren notwendigen Lebensunterhalt in einer Einrichtung und der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII. Hierzu legte sie u.a. Kontoauszüge vor.
Die Wohngeldbehörde lehnte mit Bescheid vom 28. Februar 2018 die Gewährung von Wohngeld für die Zeit ab dem 1. Februar 2018 ab.
Am 10. April 2018 erwarb die Klägerin von der Stadt E. das Nutzungsrecht für 25 Jahre an einer Urnenwahlgrabstätte, wofür sie ausweislich des Gebührenbescheids vom 10. April 2018 eine Gebühr von 1.217,00 Euro zu entrichten hatte. Am 15. Mai 2018 erfolgte die Überweisung dieses Betrags an die Stadt E.
Mit Bescheid vom 7. August 2018 lehnte der Beklagte den Antrag vom 27. Februar 2018 ab. Am 1. Juli 2018 habe die Klägerin über Vermögen i.H.v. 6.490,91 Euro verfügt. Da das Nutzungsrecht für das Urnenwahlgrab erworben worden sei, als bereits ein Antrag auf Sozialhilfe gestellt gewesen sei, könne nicht eindeutig ausgeschlossen werden, dass der Erwerb des Urnenwahlgrabes ohne die Absicht geschlossen worden sei, eine sozialhilferechtliche Bedürftigkeit herbeizuführen. Der Wert des Urnenwahlgrabes i.H.v. 1.217,00 Euro sei daher nicht geschützt und vorab zur Heimkostendeckung einzusetzen. Das einzusetzende Vermögen überschreite die Vermögensgr...