Entscheidungsstichwort (Thema)

Soziale Pflegeversicherung. häusliche Pflege. Entlastungsbetrag. kein Anspruch auf Erstattung der Kosten für das Ausführen eines Hundes

 

Orientierungssatz

1. Eine Erstattung der Kosten für das Ausführen eines Hundes im Rahmen des monatlichen Entlastungsbetrages scheidet aus, denn diese unterfallen nicht den in § 45b Abs 1 S 3 SGB 11 genannten Leistungsangeboten, insbesondere handelt es sich nicht um Kosten für Leistungen eines zugelassenen Pflegedienstes oder Leistungen der nach Landesrecht anerkannten Angebote zur Unterstützung im Alltag iSd § 45a SGB 11.

2. Auf eine analoge Anwendung des § 45b SGB 11 kann der erhobene Anspruch nicht gestützt werden.

3. Es bedarf auch keiner verfassungskonformen Auslegung zur Vermeidung eines Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz.

4. Ein materiell-rechtlicher Anspruch ergibt sich auch nicht aus der Sonderregelung des § 150 SGB 11.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 9. Juni 2021 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Erstattung von Aufwendungen für das Ausführen seines Hundes im Rahmen des monatlichen Entlastungsbetrags in Höhe von 100,00 € für den Zeitraum von Mai bis Dezember 2020.

Die Beklagte gewährt dem bei ihr sozial pflegeversicherten Kläger seit 23. April 2020 Leistungen nach Pflegegrad 2, u.a. einen Entlastungsbetrag in Höhe von 125,00 € monatlich (Bescheid vom 8. Juni 2020).

Am 5. Januar 2021 beantragte er bei der Beklagten die Erstattung der Kosten für das Ausführen seines Hundes im Zeitraum von Mai bis Dezember 2020 in Höhe von insgesamt 800,00 €. Seit einigen Jahren beschäftige er hierzu einmal täglich für monatlich 100,00 € die Tierbetreuung K (im Folgenden K) in H. Diese Ausgaben gehörten zu den haushaltsnahen Dienstleistungen, die zu Lasten der zugesagten Entlastungsleistungen zu übernehmen seien. Zum Nachweis legte er Quittungen über monatlich gezahlte 100,00 € für das Ausführen des Hundes in den Monaten Januar und Juli bis Dezember 2020 vor. Nachdem die Beklagte die Erstattung am selben Tag zunächst telefonisch abgelehnt hatte, hielt der Kläger sein Begehren aufrecht. Entgegen der Ansicht der Beklagten zähle das Ausführen des Hundes nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH, Beschluss vom 25. September 2017 - VI B 25/17 -) zu den haushaltsnahen Dienstleistungen. Dieser Begriff sei dem Steuerrecht entnommen und daher dementsprechend auch im Sozialrecht anzuwenden. Mit Schreiben vom 12. Januar 2021 erläuterte die Beklagte, welche Entlastungsangebote in Anspruch genommen werden könnten. Die Versorgung eines Haustieres könne nicht über den Entlastungsbetrag abgerechnet werden. Unter Hinweis auf seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen mit Behinderungen beim Laufen, die ihm das dreimalige Ausführen des Hundes nicht erlaubten (weshalb das morgendliche Ausführen gegen Bezahlung erfolge), bat der Kläger um die Erteilung eines rechtsbehelfsfähigen Bescheides. Daraufhin lehnte die Beklagte die begehrte Kostenerstattung mit Bescheid vom 18. Januar 2021 ab. Das Ausführen eines Hundes stelle keine über den Entlastungsbetrag erstattungsfähige Leistung dar. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 14. April 2021 als unbegründet zurück.

Hiergegen erhob der Kläger am 4. Mai 2021 Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG), mit der er zunächst eine Kostenerstattung in Höhe von 900,00 € geltend machte, die er aber mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 17. Mai 2021 wiederum auf 800,00 € beschränkte. Zur Begründung führte er über sein bisheriges Vorbringen hinaus aus, K führe seinen Hund einmal täglich für ein Entgelt von 100,00 € monatlich aus. Zwar handele es sich bei dieser nicht um einen nach dem Landesrecht Baden-Württemberg anerkannten Dienstleister. Ein nach Landesrecht anerkannter Dienstleister, der den Hund ausführen könnte, sei aber in unmittelbarer Nähe nicht zu ermitteln. Daher sei die Vorschrift des § 45b Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) zur Vermeidung eines Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in verfassungskonformer Auslegung analog anzuwenden. Andernfalls bestünde eine Ungleichbehandlung gegenüber den Normadressaten des § 45b SGB IX, die in ihrem räumlichen Nahbereich einen nach Landesrecht anerkannten Dienstleister hierfür fänden. Hätte der Gesetzgeber bei der Fassung des § 45b SGB XI bedacht, dass unter Umständen haushaltsnahe Dienstleistungen nicht durch einen anerkannten Dienstleister vor Ort zu erhalten seien, hätte er diesen Umstand im Rahmen der Abfassung des Gesetzes berücksichtigt.

Die Beklagte trat der Klage unter Verweis auf die angefochtenen Bescheide entgegen und führte ergänzend aus, die steuerrechtliche Auslegung sei für die Bestimmung der haushaltsnahen Dienstleistungen i.S. des § 45a Abs. 1 Satz 4 SGB XI über die zusätzliche...

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