Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherung. Beitragspflicht von Überstundenvergütungen. laufendes Arbeitsentgelt. Funktion von Betriebsprüfungen
Leitsatz (amtlich)
Überstundenvergütungen sind laufendes Arbeitsentgelt iS des § 14 Abs 1 S 1 SGB 4. Sie sind, soweit sie noch einzelnen Monaten zurechenbar sind, diesen Monaten, in denen sie erarbeitet wurden, zuzurechnen.
Orientierungssatz
Betriebsprüfungen haben nur eine Kontrollfunktion, nämlich einerseits Beitragsausfälle zu verhindern, andererseits die Sozialversicherungsträger davor zu bewahren, dass aus der Annahme von Beiträgen für nicht versicherungspflichtige Personen Leistungsansprüche entstehen. Sie sollen jedoch nicht eine Schutzfunktion gegenüber Arbeitgebern erfüllen oder diesen gar "Entlastung" erteilen (vgl zuletzt BSG vom 14.7.2004 - B 12 KR 1/04 = BSGE 93, 119 = SozR 4-2400 § 22 Nr 2).
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 18.03.2005 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Der Streitwert wird auf 9.543,25 € festgesetzt.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 9.543,25 € streitig.
Bei dem Kläger, einem im Bereich der Industrieelektronik tätigen Betrieb, wurde am 18. November 1999 durch die Beklagte eine Betriebsprüfung durchgeführt. Dabei wurde festgestellt, dass über mehrere Monate anfallende Überstunden einmalig ausbezahlt wurden, die Verbeitragung jedoch jeweils als laufendes Arbeitsentgelt erfolgte.
Mit Bescheid vom 20. Dezember 1999 forderte die Beklagte daraufhin für den Prüfzeitraum vom 01.01.1995 bis 31.12.1998 Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von 20.463,28 DM mit der Begründung nach, für einige Arbeitnehmer seien Überstunden kumuliert ausbezahlt und sozialversicherungsrechtlich nur als laufendes Arbeitsentgelt verbeitragt worden. Die Überstundenvergütungen seien aber stets steuer- und beitragspflichtiger Arbeitslohn und aufgrund ihrer Zeitbezogenheit laufendes Arbeitsentgelt, somit dem Monat zuzuordnen, in dem sie erarbeitet worden seien. Auf Nachzahlungen, die auf einer rückwirkenden Überstundenbezahlung beruhten, könne aus Vereinfachungsgründen auch die Regelung für einmalig gezahltes Arbeitsentgelt mit der Maßgabe angewendet werden, dass die anteilige Jahresbeitragsbemessungsgrenze des Nachzahlungszeitraumes zugrunde zulegen sei; dadurch werde der Charakter der Nachzahlung als laufendes Arbeitsentgelt nicht berührt. Einmalig gezahltes Arbeitsentgelt werde einem bestimmten Entgeltabrechnungszeitraum zugerechnet, jedoch werde hierbei die monatliche Beitragsbemessungsgrenze außer Kraft gesetzt.
Die bei der klägerischen Firma über mehrere Monate angefallenen Überstunden seien in den Jahren 1995 und 1996 einmalig im Dezember ausbezahlt worden, 1997 und 1998 dann vierteljährlich. Die Verbeitragung sei jedoch jeweils nur als laufendes Arbeitsentgelt erfolgt. Diese Vorgehensweise sei jedoch nur insoweit zulässig, als die Zahlungen sozialversicherungsrechtlich als Einmalbezüge verbeitragt würden. Durch die Verschlüsselung der Überstunden als laufendes Arbeitsentgelt sei das zu verbeitragende Entgelt auf die monatliche Beitragsbemessungsgrenze begrenzt und der restliche Teil der rückwirkenden Überstundenbezahlungen nicht verbeitragt worden. Würden die Überstunden aber als Einmalbezug verschlüsselt, werde die monatliche Beitragsbemessungsgrenze außer Kraft gesetzt und es erfolge eine Verbeitragung der kumulierten Überstunden in voller Höhe (ggf. bis zur Höhe der anteiligen/jährlichen Beitragsbemessungsgrenze). Somit würden die Beiträge aus den Überstundenvergütungen der Jahre 1995 bis 1998 nacherhoben.
Hinsichtlich der zugrundegelegten Arbeitsentgelte, der Berechnung der Beiträge und der genauen Zusammensetzung der Forderung wird auf Anlage 1 zu dem Bescheid verwiesen.
Mit seinem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, ihm sei durch die für seinen Betrieb zuständige Innungskrankenkasse die Auskunft erteilt worden, Überstunden seien auch bei Zahlungen in größeren als monatlichen Abständen als laufendes Entgelt dem jeweiligen Auszahlungsmonat zuzurechnen. Als Beleg hierfür sei ihm ein Merkblatt für Arbeitgeber “Sonderzuwendungen" zugesandt worden. Unter Abschnitt 3 dieses Merkblattes werde ausdrücklich betont, dass Überstunden keine Sonderzuwendungen seien und zum laufenden Arbeitsentgelt gehörten, das heißt auch dann, wenn sie aus abrechnungstechnischen Gründen nicht monatlich, sondern in größeren Zeitabständen gezahlt würden. Aufgrund dieser Auskunft habe er die Verbeitragung der ausgezahlten Überstunden vorgenommen, zumal sein damaliges Lohnprogramm diese Einstellung standardmäßig vorgesehen habe. Auch die Beitragsprüfung der IKK-N. für den Zeitraum Januar 1988 bis Dezember 1991 wie die der TK-E. für den Zeitraum 01.04.1991 bis 31.12.1994 habe keinerlei Beanstandungen ergeben. Von seinen Mitarbeite...