Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Kostenübernahme von alternativen Behandlungsmethoden
Orientierungssatz
Der allgemein anerkannte Stand der medizinischen Kenntnisse schließt Leistungen aus, die mit wissenschaftlich nicht anerkannten Methoden erbracht werden. Neue Verfahren, die nicht ausreichen erprobt sind, oder Außenseitermethoden (paramedizinische Verfahren), die zwar bekannt sind, aber sich nicht bewährt haben, lösen keine Leistungspflicht der Krankenkassen aus. Es ist nicht die Aufgabe der Krankenkassen, die medizinische Forschung zu finanzieren. Dies gilt auch dann, wenn neue Methoden im Einzelfall zu einer Heilung der Krankheit oder Linderung der Krankheitsbeschwerden führen.
Nachgehend
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Kosten der Behandlung der Klägerin in der Privatpraxis des Dr. D. in B.-B. von DM 5.888,83 nebst Zinsen zu erstatten.
Die am 14. Mai 1946 geborene verheiratete Klägerin ist über ihren bei der Beklagten pflichtversicherten Ehemann gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) familienversichert. Anfang August 1995 beantragte sie unter Vorlage eines Kostenvoranschlages der Privatpraxis Dr. D. vom 07. August 1995, einer Kopie aus der "Freizeitrevue" über die Sofortheilung mit Salzinjektion sowie einer Liste von Krankenkassen, die sich an den Behandlungskosten beteiligt haben sollen, die Kostenübernahme für eine Injektionsbehandlung für die von Dr. D. diagnostizierte Neuritis, Beschwerden an der LWS und HWS sowie Coxarthritis beidseits, was die Beklagte nach Rückfrage über die Praxis bei der AOK B.-B. mit Schreiben vom 17. August 1995 (ohne Rechtsmittelbelehrung) ablehnte. Die Klägerin führte im Rahmen einer privaten Vereinbarung die Behandlung in der Zeit vom 07. August bis 05. September 1995 an elf Behandlungstagen durch, wofür ihr Dr. D. mit Privatliquidation vom 06. September 1995 unter Zugrundelegung des Faktors 2,3 DM 5.824,06 sowie für die Beratung und Untersuchung am 07. August 1995 DM 64,77 berechnete. Auf den am 09. Oktober 1995 eingegangenen Widerspruch mit der Begründung, sie leide seit Jahren an Dauerschmerzen im Bereich der Lenden- und der Halswirbelsäule, alle Möglichkeiten der Schulmedizin seien ausprobiert worden, andere Möglichkeiten der Schulmedizin gebe es nicht, veranlaßte die Beklagte ein Gutachten beim Sozialmedizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK). Gestützt auf das den Leistungsantrag nicht befürwortende Gutachten des Facharztes für Orthopädie und Sozialmedizin Dr. S. vom MDK in B. vom 5. Dezember 1995 sowie dessen Ergänzung vom 11. Januar 1996 nach Vorlage des Befundberichtes des Arztes für Orthopädie und Chirurgie Dr. H. vom 02. Oktober 1990, des Arztes für Orthopädie, Sportmedizin, Chirotherapie Dr. C. vom 21. Februar, 17. September und 12. Oktober 1979, vom 20. Oktober 1986 sowie vom 04. Mai 1987, wies der Widerspruchsausschuß der Beklagten den Widerspruch der Klägerin mit Bescheid vom 04. März 1996 mit der Begründung zurück, die von Dr. D. verabreichten perineuralen Injektionen von 0,9%-iger Kochsalzlösung seien als nicht anerkannte außervertragliche Behandlungsmethode nicht erstattungsfähig.
Zur Begründung ihrer hierwegen beim Sozialgericht (SG) Reutlingen erhobenen, auf Zahlung von DM 5.888,33 gerichteten Klage machte die Klägerin unter Verweis auf ihre Widerspruchsbegründung weiter geltend, die von Dr. D. durchgeführte Behandlung sei keine Außenseitermethode mehr. Sie sei inzwischen bundesweit anerkannt, und von vielen Krankenkassen werde die Behandlung übernommen. Abgesehen davon seien die Kosten auch dann zu übernehmen, falls es sich bei der Behandlungsmethode des Dr. D. um eine Außenseitermethode handele. Diese Behandlung habe geholfen, sie sei nunmehr schmerzfrei. Das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Niedersachsen vom 30. August 1995 und eine jüngst ergangene Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) stützten ihre Rechtsansicht. Die Erprobung der von Dr. D. angewandten Behandlungsmethode sei im Hinblick auf die statistisch relevante Zahl von Fällen, in den Krankenkassen die Kosten übernommen hätten und die sich aus der vorgelegten Liste ergäben, abgeschlossen.
Die Beklagte ist der Klage unter Vorlage ihrer nicht mit Seiten- oder Blattzahlen versehenen Verwaltungsakte entgegengetreten. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) im Urteil vom 10. Mai 1995 (1 RK 14/94) sei es den Krankenkassen nicht einmal mehr möglich, für freiwillig versicherte Mitglieder Kosten einer ärztlichen Behandlung im Rahmen des § 13 Abs. 2 SGB V zu erstatten. Dies sei um so mehr der Fall, als im Zeitraum der Behandlung der Ehegatte der Klägerin Pflichtmitglied gewesen sei.
Das SG hat mit Schreiben vom 27. September 1996, das bei den Beteiligten am 30. September 1996 einging, darauf hingewiesen, daß es durch Gerichtsbescheid zu entscheiden beabsichtige. Mit Gerichtsbescheid vom 11. Oktober 1996 h...