Entscheidungsstichwort (Thema)

Soziales Entschädigungsrecht. Pauschalierung des Berufsschadensausgleichs bei selbstständiger Tätigkeit. maßgeblicher Unternehmerlohn eines selbstständigen Versicherungsvertreters. Wert der eigenen Arbeitsleistung. Bemessung nach dem Arbeitsentgelt von vergleichbaren Arbeitnehmern. Deckelung. sozialgerichtliches Verfahren. Klagebefugnis. Aktivlegitimation. Abtretung der Ansprüche wegen Berufsschadensausgleichs. verbleibendes Rentenstammrecht

 

Orientierungssatz

1. Im Rahmen des Berufsschadensausgleichs nach § 6 Abs 3 S 3 und 4 BSchAV ist der Gewinn aus selbstständiger Tätigkeit (hier eines Versicherungsmaklers) nicht ohne Weiteres bis zu dem Wert der eigenen Arbeitsleistung zu berücksichtigen, sondern nur dann, wenn er auf die eigene Tätigkeit der Beschädigten zurückzuführen ist.

2. Dieser Wert errechnet sich, indem ermittelt wird, welches Arbeitsentgelt Arbeitnehmern in vergleichbarer Stellung zu zahlen gewesen wäre.

3. Werden die Forderungen wegen eines Berufsschadensausgleichs abgetreten (hier an ein Finanzamt), verbleibt das Stammrecht auf Berufsschadensausgleich weiter beim Abtretenden und gehen lediglich die auf dem Stammrecht fußenden Zahlungsansprüche an den Forderungsempfänger über (vgl BSG vom 26.4.1979 - 5 RKnU 7/77 = BSGE 48, 159 = SozR 2200 § 119 Nr 1).

 

Normenkette

BSchAV § 6 Abs. 1, 3 Sätze 1-4, § 5 Abs. 1-3; OEG § 1; BVG § 30 Abs. 2-4, 6; SGG § 75 Abs. 2 Alt 1, § 70 Nr. 3

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 21.09.2015; Aktenzeichen B 9 V 29/15 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 26. März 2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt Berufsschadensausgleich nach der Besoldungsgruppe A 15.

Während einer Trennungsauseinandersetzung versuchte die mittlerweile durch Scheidungsurteil des Amtsgerichts H. vom 12. Mai 2006 geschiedene Ehefrau des 1967 geborenen Klägers, am 15. April 2004 nach dessen Angaben ihm mit drei aneinandergebundenen Skalpellen “die Kehle zu durchtrennen„ und ihn anschließend mit dem Auto zu überfahren. Bei dieser wurde eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung (ICD-10 F 60.3: "Borderline") diagnostiziert, weswegen die Ehe schon länger belastet war. Noch am Tag des Ereignisses wurde der Kläger stationär bis 18. April 2004 in der Chirurgischen Abteilung der Klinik H. aufgenommen. Nach dem Entlassungsbericht des Chefarztes Prof. Dr. B. sei eine zweifache Schnittwunde am Hals (ICD-10 S 11.9) und eine Thoraxprellung rechts (ICD-10 S 20.20) diagnostiziert worden. Es folgte ein weiterer stationärer Aufenthalt vom 12. August bis 3. November 2004 im Fachkrankenhaus für Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie in A. Nach dem Entlassungsbericht des Ärztlichen Direktors Dr. S. seien eine posttraumatische Belastungsstörung (ICD-10 F 43.1), eine schwere Depression (ICD-10 F 32.2) und eine Migräne (ICD-10 G 43.0) diagnostiziert worden.

Der Beklagte erkannte zuletzt durch Bescheid vom 14. April 2010 als Schädigungsfolgen eine posttraumatische Belastungsstörung, psychoreaktive Störungen sowie querverlaufende Narben an der vorderen Halsseite und Sensibilitätsstörungen im Bereich der Narben an und stellte neben der besonderen beruflichen Betroffenheit fest, dass die Erwerbsfähigkeit des Klägers um 60 vom Hundert (v. H.) ab 1. Oktober 2005 gemindert ist. Weiter wurde dem Kläger mit Bescheid vom 2. Juni 2005 Heilbehandlung wegen der anerkannten Schädigungsfolgen und mit Bescheid vom 7. April 2008 auch für die Behandlung aller anderweitigen Gesundheitsstörungen gewährt. Ferner war dem Kläger mit Bescheid vom 23. Juni 2008 Versorgungskrankengeld ab 15. April 2004 bewilligt worden. Sein Antrag auf Gewährung von Ausgleichsrente nach § 32 in Verbindung mit § 33 Bundesversorgungsgesetz (BVG) war mit Bescheid vom 13. April 2010 mit der Begründung abgelehnt worden, allein schon wegen der Höhe der derzeit anzurechnenden Rente der A. L.-AG bestehe hierauf kein Anspruch.

Wegen seines Antrages auf Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) vom 4. August 2004 ermittelte der Beklagte auch wegen eines Berufsschadensausgleiches.

Nach der Hauptschule begann der Kläger im September 1982 eine Ausbildung als Automateneinrichter. Nach abgeschlossener Lehre arbeitete er bis 1987 in diesem Beruf. Anschließend leistete er ein freiwilliges Jahr im Krankenhaus S., bevor er ab Februar 1988 als Versicherungsinspektor in abhängiger Beschäftigung für die V. AG tätig war. Diese Tätigkeit übte er bis 1993 aus. 1995 und 1996 besuchte er die T.-H.-Schule in R., unter anderem einer staatlichen Fachschule für Wirtschaft, die er als staatlich geprüfter Betriebswirt abschloss. Von 1997 bis Anfang 2001 war er als selbstständiger Versicherungsvertreter für die D. W. und ab 1. Juni 2001 bis zum Tattag übte er diese selbstständige Tätigkeit für die A. L.-AG; tätig, hierbei beschäftigte er halbtags eine Sekretärin, die Büroarbeiten erledigte. Ab 15. A...

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