Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. häusliche Krankenpflege. vollstationäre Einrichtung der Behindertenhilfe. geeigneter Ort. Verabreichung von Medikamenten über eine Magensonde

 

Leitsatz (amtlich)

Versicherte, die in einer vollstationären Einrichtung der Behindertenhilfe iS von § 71 Abs 4 SGB 11 wohnen, können Anspruch auf häusliche Krankenpflege haben, wenn ihnen Medikamente über eine Magensonde (PEG) verabreicht werden müssen.

 

Normenkette

SGB V § 13 Abs. 3 S. 1, § 27 Abs. 1 Sätze 1, 2 Nr. 4, § 37 Abs. 2 S. 1, Abs. 6, § 92; SGB XI § 71 Abs. 4; HKP-RL § 1 Abs. 2 S. 2, Abs. 6; SGB I § 56

 

Tenor

Auf die Berufung der Kläger werden das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 07.08.2014 und die Bescheide der Beklagten vom 05.05.2008, 03.06.2008, 24.06.2008, 03.07.2008, 08.08.2008, 04.11.2008 und 16.02.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.10.2009 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, den Klägern 9.905,56 € zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sowie die außergerichtlichen Kosten der Kläger im Klageverfahren.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.435,85 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Kläger begehren die Erstattung von Kosten iHv noch 9.905,56 € für häusliche Krankenpflege durch einen ambulanten Pflegedienst.

Die Kläger sind die Eltern des am 15.10.1980 geborenen und am 31.03.2011 verstorbenen L. H. (im Folgenden: Versicherter), der bei der Beklagten krankenversichert war. Der Versicherte war aufgrund einer infantilen Zerebralparese mit Tetraspastik, Blasenentleerungsstörung, Skoliose, Anfallsleiden und zentraler Blindheit seit 1998 unter der Kostenträgerschaft des Beigeladenen zu 2) im Rahmen der sozialhilferechtlichen Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) im P.- und C.-K.-Haus, W. untergebracht. Dabei handelt es sich um eine vollstationäre Einrichtung der Behindertenhilfe iSv § 71 Abs 4 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI), die von der Beigeladenen zu 1) betrieben wird. Nach der zwischen der Beigeladenen zu 1) und dem R.-N.-Kreis getroffenen Vereinbarung nach § 75 Abs 3 SGB XII erbringt die Einrichtung Leistungen nach Leistungstyp I.2.2, I.5.1 und I.4.5a. Ein schriftlicher Heimvertrag wurde zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1) nicht geschlossen. Seit 2002 war bei dem Versicherten Pflegestufe III anerkannt, die Pflegepauschale von 256 € nach § 43a SGB XI wurde gezahlt.

Unter dem 28.04.2008 (Eingang bei der Beklagten am 30.04.2008) verordnete der Facharzt für Innere Medizin Dr. M. dem Versicherten für den Zeitraum 28.04. bis 28.05.2008 häusliche Krankenpflege zur Medikamentengabe über eine Magensonde (PEG), 2mal täglich, 7mal pro Woche. Die Medikamentengabe erfolgte ab diesem Zeitraum bis zum Tod des Versicherten durch einen ambulanten Pflegedienst (B.-ambulanter Pflegedienst gGmbH, W.).

Mit Bescheid vom 05.05.2008 lehnte die Beklagte die Leistung ab. Der Versicherte sei in einer zugelassenen Einrichtung der Behindertenhilfe iSv § 43a SGB XI untergebracht. Zur Abgeltung des anfallenden Pflegebedarfs zahle die Pflegekassen an die Beigeladene zu 1) den Pauschalbetrag von 256 €. Darüber hinaus werde der Aufwand für die Behandlungspflege auch durch die Zahlung des Heimentgelts durch den Beigeladenen zu 2) abgegolten. Es sei daher Sache der Beigeladenen zu 1), die Durchführung der notwendigen behandlungspflegerischen Tätigkeiten sicherzustellen. Dagegen legte der Versicherte Widerspruch ein.

Für den Zeitraum 28.05. bis 30.06.2008 verordnete Dr. M. die Medikamentengabe 1mal täglich. Auch dies lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 03.06.2008), der Versicherte legte Widerspruch ein. Für den Zeitraum 17.06. bis 27.06.2008 verordnete Dr. M. wiederum die Medikamentengabe 2mal täglich (Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 24.06.2008, dagegen Widerspruch). Auch die nachfolgenden Verordnungen wurden abgelehnt (Bescheid vom 03.07.2008 für den Zeitraum 01.07. bis 31.12.2008, Medikamentengabe 1mal täglich; Bescheid vom 08.08.2008 für den Zeitraum 16.07. bis 31.12.2008, Medikamentengabe 2mal täglich; Bescheid vom 04.11.2008 für den Zeitraum 22.10. bis 31.12.2008, Medikamentengabe 3mal täglich; Bescheid vom 16.02.2009 für den Zeitraum 01.01. bis 31.12.2009, Medikamentengabe 2mal täglich).

Mit Widerspruchsbescheid vom 06.10.2009 wies die Beklagte den Widerspruch “gegen den Bescheid vom 05.05.2008„ zurück. Im Sachverhalt führte die Beklagte die Bescheide vom 05.05.2008, 03.06.2008, 24.06.2008, 03.07.2008, 08.08.2008, 04.11.2008 und 16.02.2009 an. Den Widerspruch wies sie mit der Begründung zurück, es bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis, da dem Versicherten durch die Entscheidung der Beklagten keine Nachteile entstanden seien und er nicht beschwert sei. Vorsorglich werde zur Unbegründetheit des Widerspruchs ausgeführt, dass ein möglicher Anspruch auf häusliche Krankenpflege durch die Regelung des § 43a SGB XI ausgeschlossen sei.

Hiergegen richtet sich d...

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