Leitsatz (amtlich)

Ein gelernter Koch, der als Küchenchef mit Leitungsfunktion gegenüber ungelernten Hilfskräften beschäftigt ist, ist nach dem Mehrstufenschema des Bundessozialgerichts als Facharbeiter einzustufen. Als solcher kann er auf die Tätigkeit als Poststellenmitarbeiter zumutbar verwiesen werden.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 01.08.2022 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung im Zeitraum vom 01.03.2019 bis 31.10.2022 streitig.

Der 1958 geborene Kläger absolvierte eine Ausbildung zum Koch (Sommer 1974 bis Sommer 1978) und war anschließend unterbrochen durch Zeiten der Arbeitslosigkeit nach eigenen Angaben bei verschiedenen Arbeitgebern als Koch in Restaurants, Hotels oder Kantinen oder als Küchenchef sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Zuletzt war er von März 2010 bis April 2019 (arbeitgeberseitige Kündigung wegen Krankheit) als Küchenchef im Restaurant S1 tätig. Seit Januar 2018 war er arbeitsunfähig krank mit Bezug von Krankengeld bis 02.07.2019 und anschließendem Bezug von Arbeitslosengeld bis 01.07.2021. Zusätzlich sind im Versicherungsverlauf des Klägers für die Zeit vom 24.06.2020 bis 01.09.2022 Beitragszeiten mit Pflichtbeiträgen für Pflegetätigkeit enthalten. Seit dem 01.11.2022 bezieht der Kläger eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte ohne Abschläge (Bewilligungsbescheid vom 15.09.2022, S. 57 ff. Senatsakte).

2018 wurde bei dem Kläger eine koronare 3-Gefäßerkrankung diagnostiziert mit leichtgradig eingeschränkter linksventrikulärer Pumpfunktion, es erfolgte im Universitätsklinikum U1 eine mehrfache Stent-Implantation im Februar, März und Mai 2018. Vom 15.06. bis 06.07.2018 nahm der Kläger an einer stationären Rehabilitationsmaßnahme in der W1 in R1 teil. Die Entlassung erfolgte mit einem Leistungsvermögen von mehr als sechs Stunden täglich für die Tätigkeit eines Kochs oder Küchenchefs und für den allgemeinen Arbeitsmarkt (Diagnosen: atherosklerotische Herzkrankheit 3-Gefäßerkrankung mit Zustand nach [Z.n.] dreimaliger Stentimplantation; benigne essentielle Hypertonie; Hypercholesterinämie; sonstige Reaktion auf schwere Belastung).

Am 13.03.2019 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte zog ärztliche Unterlagen bei und lehnte nach einer Stellungnahme ihres ärztlichen Dienstes (L1 vom 27.06.2019) den Antrag mit Bescheid vom 08.07.2019 aus medizinischen Gründen ab.

Im anschließenden Widerspruchsverfahren ließ die Beklagte den Kläger durch H1 ambulant untersuchen und begutachten. Dieser kam im Gutachten vom 26.03.2020 zu der Einschätzung, dass der Kläger bei Vorliegen einer Anpassungsstörung, einer koronaren 3-Gefäßerkrankung und einem metabolischen Syndrom in seinem Beruf als Koch bzw. Küchenchef sowie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden täglich arbeiten könne. Mit Widerspruchsbescheid vom 23.06.2020 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Kläger sei nicht erwerbsgemindert und nicht berufsunfähig, weil er auch weiterhin in seinem Beruf sowie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein könne.

Hiergegen richtet sich die am 15.07.2020 beim Sozialgericht Konstanz (SG) erhobene Klage. Zur Begründung hat der Kläger geltend gemacht, seine Einschränkungen auf neurologisch-psychiatrischem, internistischem und orthopädischem Gebiet seien nicht hinreichend gewürdigt worden. Zudem bestehe Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, denn er habe zuletzt als Küchenchef eine qualifizierte Tätigkeit in seinem Ausbildungsberuf ausgeübt. Die bestehenden Beeinträchtigungen seien mit dem Anforderungsprofil einer derartigen Tätigkeit nicht vereinbar.

Das SG hat die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen angehört. H2 hat mit Schreiben vom 05.11.2020 (S. 42 f. SG-Akte) mitgeteilt, der Kläger sei wegen einer anhaltenden schweren depressiven Episode weiterhin nicht arbeitsfähig. M1 hat unter dem 11.11.2020 (S. 44 ff. SG-Akte) ausgeführt, durch die massiv beklagten Beschwerden im lumbo-sakralen Übergang und in beiden Füßen könne die Tätigkeit als Koch oder Küchenchef nicht mehr ausgeführt werden, jedoch seien körperlich leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung möglich. K1 hat auch eine Tätigkeit als Koch oder Küchenchef täglich sechs Stunden für möglich gehalten, die körperlichen Einschränkungen durch die koronare Herzkrankheit seien gering (Schreiben vom 10.11.2020, S. 47 ff. SG-Akte). A1 hat mit Schreiben vom 19.11.2020 (S. 55 f. SG-Akte) ausgeführt, wegen einer Depression sei der Kläger nur unter drei Stunden täglich leistungsfähig. S2 hat über nur sporadische Vorstellungen berichtet, ihm sei keine relevante Einschränkung bekannt (Schreiben vom 24.11.2020, S. 73 ff. SG-Akte). K2 ist von einem aufge...

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