Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Mietvertrag zwischen Verwandten
Leitsatz (amtlich)
1. Ob ein wirksames Mietverhältnis zwischen Verwandten vorliegt und ob der Leistungsberechtigte einer wirksamen, nicht dauerhaft gestundeten Mietforderung ausgesetzt ist, beurteilt sich nach den tatrichterlichen Feststellungen der Umstände des jeweiligen Einzelfalls (vgl BSG vom 3.3.2009 - B 4 AS 37/08 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 15 und vom 7.5.2009 - B 14 AS 31/07 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 21).
2. Nicht jedes ernstliche Geldverlangen des Verwandten ist auch ein ernstliches Mietzinsverlangen. Entscheidend ist, ob die wesentlichen Vertragsinhalte eines Mietvertrages nach § 535 BGB vorliegen.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 12. Oktober 2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Kläger gegen den Beklagten einen Anspruch auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung (KdU) nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) im Zeitraum vom 15.6.2009 bis zum 31.5.2010 haben.
Der Kläger Ziff. 1 ist 1967 geboren und lebte bis 14.6.2009 mit seiner Ehegattin und den gemeinsamen Kindern in Sachsen. Nachdem die Eheleute sich getrennt hatten, zog er am 14.6.2009 in den G., 8 in das im Eigentum seiner Eltern stehende Haus ein. Die Eltern leben ebenfalls in diesem Haus. Der Kläger Ziff. 2, der Sohn des Klägers Ziff. 1, zog am 1.9.2009 nach.
Am 15.6.2009 beantragte der Kläger Ziff. 1 bei dem Beklagten die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und gab unter anderem an, dass seine 4 Kinder weiter bei der Mutter leben würden und er selbst über kein Einkommen oder Vermögen verfüge. Er sei von 1995 bis 2004 Hausmann gewesen, habe nicht mehr gearbeitet und sei über die Familienversicherung seiner Ehegattin krankenversichert gewesen. Er legte einen “Mietvertrag„ vor, datiert vom 30.5.2009, unterzeichnet von ihm und seiner Mutter als Vermieterin. Dort heißt es unter anderem:
“Vermietet wird im Haus G. 8 ein Zimmer (ca. 40 m²) im OG. Anbau samt Dusche/WC. Vereinbart wird weiterhin Mitbenutzung von Einfahrt, Terrasse, Küche und Waschküche im Einvernehmen mit dem Vermieter (d.h. dieser genießt das Vorrecht).
Die Vermietung beginnt am 1.6.2009 und endet ohne besondere Kündigung am 31.5.2010. Sollte der Mieter einen Arbeitsplatz finden, wird über die Mietdauer eine neue Vereinbarung getroffen werden können.
Die Miete beträgt 2700 € plus pauschale Heizkosten 240 € plus pauschale Nebenkosten 240 €. Es ist zum Monatsanfang jeweils 265 € einzuzahlen auf Konto [...]„.
Er legte desweiteren ein Schreiben seines Vaters vom 13.8.2009 vor, in welchem es heißt:
“Sehr geehrter Herr Andreas-B.!
Ich darf sie daran erinnern, dass bis dato noch keine Miete bezahlt wurde.
Mit freundlichen Grüßen„
Im Rahmen einer Vorsprache am 16.9.2009 (Bl. 41 Verwaltungsakte) teilte der Kläger mit, dass er mit seinen Eltern nicht in einer Haushalt- oder Bedarfsgemeinschaft lebe. Den Wohnraum im Elternhaus, den er jetzt angemietet habe, hätten seine Eltern in der Vergangenheit schon häufiger an Dritte fremdvermietet.
Nachdem der Beklagte zunächst mit Schreiben vom 7.10.2009 mitgeteilt hatte, dass man beabsichtige, den Antrag wegen einer bestehenden Haushaltsgemeinschaft nach § 9 Abs. 5 SGB II abzulehnen, bekräftigten sowohl der Kläger Ziff. 1 als auch seine Eltern nochmals gegenüber dem Beklagten, dass nicht aus einem Topf gewirtschaftet werde.
Mit Bescheid vom 11.11.2009 (Bl. 74 Verwaltungsakte) bewilligte der Beklagte den Klägern ab dem 15.6.2009 bis zum 31.5.2010 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und berücksichtigte dabei für den Kläger Ziff. 1 die Regelleistung in Höhe von 359 €, für den Kläger Ziff. 2 Sozialgeld nach § 28 SGB II a.F.in Höhe von 251 € (hierauf werden Kindergeld und Unterhaltsvorschuss angerechnet). Desweiteren wurde für den Kläger Ziff. 2 ein Kindergartenbeitrag in Höhe von 92 € berücksichtigt. Als Kosten der Unterkunft wurden (kopfteilig) monatliche Heizungskosten in Höhe von 23 € sowie monatliche Nebenkosten in Höhe von 16,65 € berücksichtigt. Nicht anerkannt wurde die Kaltmiete in Höhe von monatlich 225 €.
Hiergegen erhoben die Kläger am 2.12.2009 Widerspruch. Auch die Kaltmiete sei zu berücksichtigen. Außerdem habe der Kläger Ziff. 2 schwere Neurodermitis und benötige einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung.
Mit Teilabhilfebescheid vom 26.1.2010 (Bl. 90 Verwaltungsakte) bewilligte der Beklagte dem Kläger Ziff. 1 ab dem 1.9.2009 einen Mehrbedarf wegen Alleinerziehung (129 €/Monat) und dem Kläger Ziff. 2 einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung (25,56 €/Monat).
Mit Widerspruchsbescheid vom 28.1.2010 wurde der Widerspruch wegen der noch verbleibenden KdU/Kaltmiete als unbegründet zurückgewiesen. Es könnten nur tatsächlich anfallende Unterkunftskosten übernommen werden. Nachgewiesen und anerkannt worden seien Nebenkosten in Höhe von anteili...