Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungspflicht. Physiotherapeutin. Behandlung eigener Patienten in den Praxisräumen einer zugelassenen Physiotherapeutin. selbständige Tätigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Selbstständigkeit einer Physiotherapeutin, die innerhalb der Praxisräume einer zugelassenen Physiotherapeutin eigene Patienten behandelt.

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 25. Oktober 2016 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die von der Beigeladenen von Dezember 2013 bis Juni 2014 ausgeübte Tätigkeit als Physiotherapeutin in der Praxis der Klägerin der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.

Die Klägerin betrieb in der fraglichen Zeit von Dezember 2013 bis Juni 2014 eine Physiotherapiepraxis und hat die Kassenzulassung gem. § 124 SGB V. Die Praxis verfügte über 4 Behandlungszimmer. Neben der Klägerin arbeitete dort eine weitere Mitarbeiterin geringfügig.

Die Beigeladene ist examinierte Physiotherapeutin ohne Kassenzulassung. Im streitigen Zeitraum verfügte sie über eine Berufshaftpflichtversicherung und hatte sich zur gesetzlichen Unfallversicherung angemeldet. Eigene Mitarbeiter hatte sie nicht. Sie war zudem Mitglied in einer Kooperationsgemeinschaft freier Therapeuten, die als “m. p.„ firmieren mit einer Zentrale, die als Marketingdienstleister für Werbung und Präsenz am Markt verantwortlich ist (http://www….). Über die Plattform wird ein “Therapie Timesharing„ angeboten, das von Praxen flexibel in Form von Zeitmodulen z.B. für Urlaubs-, Krankheitsvertretung und bei temporärem Personalmangel gebucht werden kann. Der Vertragsschluss erfolgt jeweils zwischen dem Auftraggeber und dem jeweiligen Kooperationsmitglied.

Die Klägerin und die Beigeladene schlossen unter dem 2.12.2013 auf der Grundlage eines Mustervertrages der “m.p.„ einen “Freiberuflervertrag„, der unter anderem folgende Bestimmungen enthält:

I. Gegenstand

Therapie Timesharing für Vereine, Behörden, Fitnessbetriebe, Veranstaltungsagenturen, Hotels, Wellnesseinrichtungen, Praxisbetrieb, Kurbäder und-Betriebe, Reha, Thermalbäder etc.

Alle Therapeuten von m.p. sind ausschließlich in der Therapie einsetzbar. Eine Weisungsbefugnis wird ausdrücklich ausgeschlossen. Der Freiberufler hat die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen freigestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit.

II. “Unternehmerisches Risiko„

Jeder Freiberufler der m. p. besitzt einen eigenen Firmensitz, arbeitet auf eigene Rechnung mit eigenem Briefpapier, Visitenkarten etc., tritt selbst auf dem Markt auf mit eigener Werbung und einem Internetauftritt. Er bestimmt Arbeitszeit und Urlaubsplanung selbst. Die Vergütung seiner Tätigkeit entspricht dem monatlich (bei kürzerem Engagement der vereinbarten Buchungszeit) erzielten Umsatz abzüglich eines vereinbarten prozentualen Abschlags für Verwaltung und Arbeitsplatz (70/30%).

III. Arbeitsplatz

Das buchende Unternehmen stellt dem Freiberufler von m.p. frei, eigene Betriebs- und Therapiemittel zu verwenden. Es werden ausreichend Räumlichkeiten zur Behandlung der Patienten des Freiberuflers nebst Mitbenutzung von Wartezimmer, Toilettenpapier, Rezeption und Equipment zur Verfügung gestellt. Hierfür bezahlt der Freiberufler einen Prozentsatz (siehe Abrechnung) an das buchende Unternehmen. Zu den gleichen Voraussetzungen ist es dem Freiberufler erlaubt - nach Absprache - eigene Patienten in der Praxis behandeln zu dürfen. Ferner klärt sich das buchende Unternehmen einverstanden, dass der Freiberufler seinen eigenen Terminkalender in der Praxis führen darf.

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V. Kündigungsfristen und Verlängerung

3 Monate, wenn keine Kündigung erfolgt, stillschweigende Verlängerung (handschriftlich eingefügt)...

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VII. Ausfallzeiten

Die m.p. bemüht sich, bei Urlaub oder Krankheit des Therapeuten vor Ort für Ersatz zu sorgen. Sollte dies aus jedweden Gründen nicht machbar sein, wird das Unternehmen rechtzeitig davon in Kenntnis gesetzt und von den Kosten in dieser Zeit selbstverständlich befreit.

VIII. Urlaub

Urlaubszeiten des Freiberuflers sind rechtzeitig dem Unternehmen mitzuteilen. Urlaubszeiten, die nicht über andere Therapeuten/innen der m.p. aufgefangen werden können oder sollen, sind mit dem Unternehmen, insbesondere bei Langzeitbuchungen, abzustimmen...

X. Abrechnung

Die Abrechnung erfolgt in prozentualer Aufteilung des vom Auftragnehmer erzielten tatsächlichen Umsatzes eines Zeitraums. Die gängigen Sätze liegen bei 70/30, Hausbesuche werden mit einer Pauschale von 3,50 €/HB zusätzlich berechnet... Die Arbeitszeiten richten sich aus internen Gründen unbedingt nach den Zeitmodulen...

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XIII. Versicherungen

Der Freiberufler erhält vom Unternehmen keine Sozialleistungen im Krankheitsfall, zahlt freiwillig in die gesetzliche Rentenversicherung ein oder ist per Bescheid befreit (g...

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