Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungspflicht. sozialpädagogische Einzelfallhelferin im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe. Honorarvertrag. Abgrenzung. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit. Gewährleistungsverantwortung des staatlichen Leistungserbringers für die sachgerechte Leistungserbringung

 

Orientierungssatz

Weder der staatliche Leistungsträger noch der von diesem mit der Leistungserbringung durch Verträge gem §§ 78aff SGB 8 betraute Dritte darf sich der ihm aus § 17 Abs 1 Nr 1 SGB 1 obliegenden Verantwortung für die sachgerechte Erbringung der Leistung und der Möglichkeit, darauf auch "hinwirken" zu können, gänzlich entledigen und mit der Leistungserbringung einen frei von jeglicher Weisung agierenden Dritten als freien Dienstnehmer einsetzen. Dies steht der statusrechtlichen Einordnung einer Tätigkeit als sozialpädagogische Einzelfallhelferin im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe auf der Basis eines Honorarvertrages als freie Dienstnehmerin entgegen und indiziert deren Einordnung als abhängige Beschäftigung.

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 11.08.2014 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten, streiten darüber, ob die Klägerin beim Beigeladenen Nr. 1 als sozialpädagogische Einzelfallhelferin (im Folgenden nur: Einzelfallhelferin) im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ausübt und deswegen der Sozialversicherungspflicht unterliegt.

Der Beigeladene Nr. 1 betreibt ein Unternehmen mit dem Gegenstand “Mobile pädagogische Dienste„. Er ist aufgrund von Vereinbarungen für öffentliche Träger der Jugendhilfe (Städte und Landkreise) tätig und setzt neben fest angestellten (sozialpädagogischen) Mitarbeitern weitere Mitarbeiter als freie Einzelfallhelfer ein.

Unter dem 28.07.2006 schloss der Beigeladene Nr. 1 mit der 1977 geborenen Klägerin, Diplom-Pädagogin, eine als “Honorarvertrag„ bezeichnete Vereinbarung. Diese enthält (u.a.) folgende Regelungen:

§ 1

Frau L. (Klägerin) wird im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses als freier Mitarbeiter der Firma M. (M., Inhaber Beigeladener Nr. 1) je nach Absprache als Unterstützung unserer Projekte engagiert. Die Akquisition anderer Firmen steht ihr frei.

Der Vertrag beginnt am 15.07.2006.

Die Konzeption ergibt sich aus der M.-Firmenkonzeption und aus den Absprachen mit den jeweiligen Auftraggebern und den Honorarkräften sowie den entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen und Richtlinien. Eine Weisungsgebundenheit besteht jedoch nicht.

Regelmäßige fachliche Beratung und Anleitung wird durch die Firma M. sichergestellt.

§ 2

Die Arbeitszeit wird je nach den Anforderungen und je nach Absprache flexibel gestaltet. Die erforderlichen Stunden für fachliche Beratung, Fortbildung und Verwaltungsaufwand ist in der Arbeitszeit enthalten. Über den Einsatz ist ein Stundennachweis zu führen.

§ 3

Die Vergütung der Klägerin erfolgt nach geleisteten Stunden entsprechend der beruflichen Qualifikation nach Vorlage einer Rechnung, dem dazu gehörenden Stundennachweis und der Monatsübersicht. Das Stundenhonorar beläuft sich auf 20,00 €. Mit dem Stundenhonorar sind alle Auslagen, wie Telefonkosten Fahrtkosten, abgegolten.

§ 4

Zwischen den Vertragspartnern besteht Übereinstimmung, dass die Tätigkeit nicht im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses ausgeübt wird und die für die Arbeitsverhältnisse bestehenden gesetzlichen und tariflichen Vorschriften keine Anwendung finden.

Der freie Mitarbeiter der Firma M. verpflichtet sich, die ihm übertragenen Arbeiten sowohl entsprechend den gesetzlichen Vorschriften als auch nach den konzeptionell erarbeiteten Grundlagen gewissenhaft ordnungsgemäß durchzuführen. Er hat über die ihm im Rahmen der Tätigkeit bekannt gewordenen Angelegenheiten, deren Geheimhaltung gemäß den Vorgaben des Sozialgesetzbuchs erforderlich oder von der Stadt B.-B. vorgeschrieben ist, Verschwiegenheit zu wahren, auch nachdem die Tätigkeit beendet ist.

Er ist verpflichtet, wichtige Informationen, die ihm im Rahmen des Einsatzes bekannt werden und die zu einer Gefährdung für das seelische oder leibliche Wohl des Klientels führen können, dem Leiter der Firma M. mitzuteilen, soweit der Datenschutz nicht entgegensteht.

§ 5

Das Vertragsverhältnis kann unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von zwei Wochen zum Monatsende gekündigt werden.

...

§ 6

Das Honorareinkommen unterliegt grundsätzlich der Steuerpflicht. Die Honorarkraft ist für die Beachtung der Steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften selbst verantwortlich.

Die Firma M. übernimmt für deren ordnungsgemäße Erfüllung keine Haftung.

...

§ 8

Zusätzlich wird folgendes festgehalten: Die Berufshaftpflichtversicherung erfolgt durch den freien Mitarbeiter (Vertragspartner).

Seit Abschluss der Vereinbarung mit dem Beigeladenen Nr. 1 (bzw. seit 15.07.2006) ist die Klägerin für diesen als Einzelfallhelferin tätig. Sozia...

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