Entscheidungsstichwort (Thema)
Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit. Anwendung der Vertrauensschutzregelung. Vereinbarung eines Arbeitsverhältnisses, das mit Erreichen des 60. Lebensjahres endet
Orientierungssatz
Der Fall, dass ein Versicherter ein befristetes Arbeitsverhältnis bei einem Arbeitgeber eingeht, dem kein unbefristetes Arbeitsverhältnis bei einem solchen vorangegangen ist, fällt unter die Vertrauensschutzregelung des § 237 Abs 2 SGB 6 idF des Gesetzes zur Förderung eines gleitenden Überganges in den Ruhestand (RuStFöG) vom 23.7.1996 (BGBl I 1996, 1078) und § 237 Abs 4 SGB 6 idF des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (RRG 1999) vom 16.12.1997. Die Vereinbarung eines Arbeitsverhältnisses, dass mit Erreichen des 60. Lebensjahres endet, ist auch als hinreichend konkrete Vereinbarung anzusehen.
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger eine höhere Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit zu gewähren ist.
Der ... 1939 geborene Kläger war zuletzt bei der Firma G.F.S. G f S GmbH als "Center-Manager" beschäftigt. Der am 15. November 1994 geschlossene Anstellungsvertrag sieht in § 2 Ziff. 5 vor: "Das Anstellungsverhältnis endet mit Ablauf des Monats, in dem der/die Mitarbeiter/in das 60. Lebensjahr vollendet hat, ohne daß es einer Kündigung bedarf." Dem Anstellungsvertrag war kein anderer unbefristeter Vertrag des Klägers mit der Firma G.F.S. vorausgegangen.
Im März 1999 bat der Kläger unter Vorlage des Anstellungsvertrages die Beklagte zu prüfen, ob er die Vertrauensschutzregelung des § 237 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der bis 31. Dezember 1999 geltenden Fassung (a. F.). erfülle. Mit Bescheid vom 8. April 1999 bestätigte die Beklagte dem Kläger, dass die Vertrauensschutzregelung bei ihm nicht zum Tragen komme. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde von der Widerspruchsstelle der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 29. September 1999 zurückgewiesen. Die Beklagte verwies auf ihre, durch ein entsprechendes Besprechungsergebnis der Spitzenverbände gestützte Ansicht, dass nur ein Aufhebungsvertrag oder eine vereinbarte Befristung eine Vereinbarung über die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses i. S. des § 237 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI a. F. darstelle, nicht aber eine sonstige Regelung über das Ende des Arbeitsverhältnisses in einem Arbeitsvertrag. Diese sei (auch) keine Befristung i. S. des § 237 Abs. 2 Satz 2 SGB VI a. F., sondern nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) lediglich eine auflösende Bedingung.
Dem folgte das vom Kläger angerufene Sozialgericht Reutlingen im Urteil vom 23. November 2000 (S 6 RA 2951/99) nicht. Zur Begründung führte es aus, dass die Vertrauensschutzregelung des § 237 Abs. 2 SGB VI a. F. eine konkrete individuelle Vereinbarung verlange. Die Regelung in § 2 Nr. 5 des Arbeitsvertrages des Klägers erfülle aber die Voraussetzungen, denn mit Kenntnis des Geburtstages des Klägers sei eindeutig und offensichtlich fixiert, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers am 31. Juli 1999 ende.
Nachdem die Beklagte hiergegen Berufung eingelegt hatte (L 10 RA 716/01), einigten sich die Beteiligten am 21. Juni 2001 vergleichsweise, dass die Beklagte den Bescheid vom 8. April 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. September 1999 zurücknimmt und über den zwischenzeitlich vom Kläger gestellten Rentenantrag vom 30. November 1999, über den mit Rentenbescheid vom 31. Januar 2000 - ohne Gewährung von Vertrauensschutz - entschieden worden war, sowie über die Anwendbarkeit der Vertrauensschutzregelung neu entscheidet.
Letzteres geschah mit Bescheid vom 24. Juli und Widerspruchsbescheid vom 11. Dezember 2001. Die Beklagte gewährte dem Kläger Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit ab 1. März 2000, kam aber wiederum zu dem Ergebnis, dass § 237 Abs. 2 SGB VI a. F. nicht zur Anwendung kommt. Wegen der vorzeitigen Inanspruchnahme der Rente um 24 Kalendermonate verminderte sich der Zugangsfaktor für die Rente von 1,0 auf 0,928. Die hiergegen erhobene Klage des Klägers (S 6 RA 114/02) war wiederum erfolgreich. Mit Urteil vom 8. Mai 2002 hob das Sozialgericht Reutlingen den Bescheid vom 24. Juli 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2001 auf und verurteilte die Beklagte, dem Kläger unter Anwendung des § 237 Abs. 2 SGB VI a. F. eine höhere Rente zu gewähren.
Gegen das ihr am 11. Juli 2002 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 6. August 2002 Berufung eingelegt. Sie vertritt weiterhin ihre oben dargestellte Rechtsansicht.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 8. Mai 2002 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Eine konkrete individuelle Vereinbarung im Sinne der Vertrauensschutzregelung liege vor.
Die Beteiligten haben sich mit ...