Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Übergang bzw Überleitung eines Anspruchs auf Erbauseinandersetzung. Beendigung der Erbengemeinschaft. öffentlich-rechtlicher Herausgabeanspruch gegen Hinterlegungsstelle. Vermögen des Hilfebedürftigen. Vollstreckung bestandkräftiger Rücknahme- bzw Rückforderungsbescheide
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Anspruch auf Erbauseinandersetzung gemäß § 2042 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ist nach Beendigung der Erbengemeinschaft nicht mehr gemäß § 93 Abs 1 S 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB 12) überleitungsfähig; die Überleitung geht insoweit ins Leere.
2. Ein Anspruch des Hilfebedürftigen gegen die Hinterlegungsstelle auf Herausgabe eines vom Drittschuldner gemäß §§ 372 ff BGB hinterlegten Betrags ist nicht gemäß § 93 Abs 1 S 1 SGB 12 überleitungsfähig, weil die Hinterlegungsstelle nicht Dritter im Sinne dieser Vorschrift ist. Der durch die Hinterlegung begründete öffentlich-rechtliche Herausgabeanspruch gegen die Hinterlegungsstelle ist vielmehr - dem Charakter der Hinterlegung als Erfüllungssurrogat entsprechend - dem Vermögen des Hilfeempfängers zuzuordnen.
3. Eine Überleitung nach § 93 Abs 1 S 1 SGB 12 scheidet nach dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift aus, wenn der Sozialhilfeträger gegen den Hilfebedürftigen unmittelbar aus einem bestandskräftigen Bescheid nach §§ 45, 50 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB 10) in die Forderung gegen einen Dritten vollstrecken kann; denn in diesem Fall bedarf es der Überleitung zur Durchsetzung des Grundsatzes des Nachrangs der Sozialhilfe nicht. Entsprechendes gilt, wenn der Sozialhilfeträger die Rückforderung darlehensweise erbrachter Sozialhilfeleistungen durch Vollstreckung eines Rückforderungsbescheides durchsetzen kann.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 20. November 2008 sowie der Bescheid der Beklagten vom 2. April 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Mai 2008 in vollem Umfang aufgehoben.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Überleitung seines Anspruchs auf Auszahlung eines bei der Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts (AG) Dresden hinterlegten Geldbetrages durch die Beklagte.
Der 1945 geborene Kläger hat (erneut) seit den 1990er Jahren bis zum 31. Dezember 2004 Sozialhilfeleistungen von der Beklagten bezogen. Erst im Jahr 1999 wurde bekannt, dass er zur Hälfte Miterbe eines Nachlasses geworden war, der im Wesentlichen aus einem Hausgrundstück in Dresden bestand. In diesem Zusammenhang war ihm sowie den vier weiteren Miterben zu je 1/8 (T. Sp., P. Sp., Wo. Sp. und Wa. Sp.) bereits am 12. Dezember 1995 ein gemeinschaftlicher Erbschein ausgestellt worden. Mit Bescheid vom 12. Januar 2000 leitete die Beklagte den “Anspruch aus Erbteilversteigerung„ gemäß § 90 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) auf sich über. Dies wurde mit Schreiben vom gleichen Tag dem Bevollmächtigten der Miterben mitgeteilt. Hiergegen legte der Kläger am 9. Februar 2000 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 30. März 2000 zurückgewiesen wurde.
Das zum Nachlass gehörende Haus war zunächst vermietet. Innerhalb der Erbengemeinschaft kam es in diesem Zusammenhang zu Streitigkeiten. Die übrigen Miterben warfen dem Kläger vor, die von ihm im Rahmen der Hausverwaltung erhaltenen Mieteinnahmen nicht ordnungsgemäß anteilig an sie weiterzuleiten. Daraufhin kam es am 17. Februar 2000 zur Zwangsversteigerung; am 23. Mai 2000 wurde ein Erlös i.H.v. 184.174,02 DM beim AG Dresden hinterlegt.
Mit Bescheid vom 19. Mai 2000 nahm die Beklagte ihre Bescheide über die Hilfegewährung vom 7. März 1996, 10. Januar 1997, 22. Januar 1997, 19. Juni 1997, 6. Mai 1998, 9. Juli 1998, 20. Juni 1998, 21. Juni 1999 sowie 13. Oktober 1999 mit Wirkung vom 1. Januar 1996 zurück und forderte vom Kläger zu Unrecht erbrachte Leistungen für die Zeit vom 1. Januar 1996 bis 31. Dezember 1999 in Höhe von 28.341,58 DM zurück. Hiergegen legte der Kläger am 14. Juni 2000 Widerspruch ein.
Mit Bescheid vom 11. Juli 2000 verfügte die Beklagte die lediglich darlehensweise Hilfegewährung für die Zeit ab dem 1. Januar 2000. Das Darlehen sei nach Beendigung der Hilfebedürftigkeit fällig und in monatlichen Raten von 100,00 DM zu tilgen. Komme das Erbe zur Auszahlung, sei das Darlehen bis zur Höhe der gewährten Sozialhilfe zu tilgen. Die Hilfe zum Lebensunterhalt wurde mit Wirkung vom 1. Januar 2000 neu berechnet und auf 377,62 DM festgesetzt. Der Bescheid vom 19. Mai 2000 werde zurückgenommen und durch diesen Bescheid ersetzt. Damit erledige sich auch ein Teil des Widerspruchs vom 14. Juni 2000.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27. Juli 2000 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 19. Mai 2000 mit der Begründung zurück, dass dieser in der Zeit von 1996 bis 1999 Mieteinnahmen von monatlich ca. 1.500,00 DM erhalten habe, sodass ihm in diesem Bewilligungszeitraum...