Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Überprüfungsantrag. Anwendung der verkürzten Ausschlussfrist. Grundsicherung für Arbeitsuchende. endgültige Entscheidung nach vorläufiger Leistungsbewilligung. Erstattungsforderung. Begriff der Erbringung von Sozialleistungen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Verfallfrist des § 44 Abs 4 S 1 SGB X iVm § 40 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II findet auch auf Überprüfungsverfahren Anwendung, die einen endgültigen Bewilligungsbescheid betreffen, mit dem Grundsicherungsleistungen abweichend von einer vorläufigen Leistungsbewilligung in geringerer Höhe festgesetzt werden.

2. Ob eine "Erbringung von Sozialleistungen" im Sinne des § 44 Abs 4 S 1 SGB X in Streit steht, bestimmt sich danach, welche Sozialleistungen tatsächlich gewollt sind und ob die tatsächlich gewollten Sozialleistungen bereits erbracht sind.

3. Richtet sich das Begehren auf eine endgültige Bewilligung von Grundsicherungsleistungen in Höhe der vorläufigen Leistungsbewilligung, sind die tatsächlich gewollten Sozialleistungen durch die Auszahlung der vorläufig bewilligten Leistungen noch nicht "erbracht" worden im Sinne des § 44 Abs 4 S 1 SGB X, weil die vorläufigen Leistungen gegenüber den endgültigen Leistungen ein Aliud darstellen.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 19.01.2021 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Leistungshöhe von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.02.2017 bis zum 31.05.2017 im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens streitig.

Der 1985 geborene Kläger ging im streitigen Zeitraum verschiedenen selbständigen Erwerbstätigkeiten nach. U.a. bot er Computerdienstleistungen an und war als Immobilienunternehmer tätig. Zudem bezog er laufend Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II.

Am 10.10.2016 beantragte er beim Beklagten die Weiterbewilligung von Grundsicherungsleistungen für die Zeit ab dem 01.12.2016. Seinem Antrag fügte er die Anlage zur vorläufigen „Erklärung zum Einkommen aus selbständiger Tätigkeit, Gewerbebetrieb oder Land- und Forstwirtschaft“ (im Folgenden: EKS) bei. Hiernach schätzte er sein Einkommen aus selbständiger Tätigkeit in der Zeit vom 01.12.2016 bis zum 31.05.2017 vorläufig auf monatlich „0,00 Euro“.

Daraufhin bewilligte ihm der Beklagte mit vorläufigem Bewilligungsbescheid vom 12.12.2016 für den Monat Dezember 2016 Grundsicherungsleistungen in Höhe von 893,95 Euro. Für die Zeit vom 01.01.2017 bis zum 31.05.2017 bewilligte er ausgehend von einem um 5,00 Euro erhöhten Regelbedarf monatliche Leistungen in Höhe von 898,95 Euro. Einkommen aus selbständiger Tätigkeit berücksichtigte er nicht. Als Grund für die Vorläufigkeit der Bewilligung gab er „§ 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II“ an.

Am 24.04.2017 legte der Kläger die abschließende EKS bezüglich seiner selbständigen Tätigkeit als Computerdienstleister für die Zeit vom 01.12.2016 bis zum 31.05.2017 vor, derzufolge er aus dieser Tätigkeit in dem genannten Zeitraum keine Einnahmen erzielt hatte.

Auf seinen Weiterbewilligungsantrag vom 24.04.2017 bewilligte ihm der Beklagte mit Bescheid vom 21.06.2017 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 18.08.2017 Grundsicherungsleistungen für Juni 2017 in Höhe von 898,95 Euro, für Juli 2017 in Höhe von 1.147,79 Euro und für die Zeit vom 01.08.2017 bis zum 30.11.2017 in Höhe von monatlich 918,95 Euro. Die Bewilligung erfolgte vorläufig ohne Berücksichtigung von Einkommen aus selbständiger Tätigkeit.

Am 27.06.2017 legte der Kläger die abschließende EKS bezüglich seines Immobilienunternehmens vor. Danach erzielte er hieraus in der Zeit vom 01.02.2017 bis zum 31.05.2017 Betriebseinnahmen in Höhe von 700,00 Euro. Dem standen in dem genannten Zeitraum seinen Angaben zufolge Betriebsausgaben in Höhe von 385,07 Euro gegenüber. Den Gewinn bezifferte er mit 314,93 Euro (700,00 Euro - 385,07 Euro = 314,93 Euro).

Mit Bescheid vom 07.12.2017 setzte der Beklagte den Leistungsanspruch des Klägers für die Zeit vom 01.12.2016 bis zum 31.05.2017 endgültig fest. Die Leistungshöhe entsprach für die Monate Dezember 2016 und Januar 2017 der Höhe der vorläufig bewilligten Leistungen, da der Beklagte in diesen Monaten kein Einkommen aus selbständiger Tätigkeit auf den Leistungsanspruch anrechnete. Für die Zeit vom 01.02.2017 bis zum 31.05.2017 setzte der Beklagte den Leistungsanspruch auf monatlich 838,94 Euro fest und berücksichtigte dabei ein monatliches Einkommen in Höhe von 175,01 Euro, nach Abzug des Freibetrags in Höhe von 60,01 Euro.

Mit weiterem Bescheid vom 07.12.2017 verlangte der Beklagte auf Grundlage des § 41a Abs. 6 SGB II die Erstattung der nach endgültiger Leistungsfestsetzung in der Zeit vom 01.02.2017 bis zum 31.05.2017 überzahlten Leistungen in Höhe von 240,04 Euro (4 x 60,01 Euro = 240,04 Euro).

Zur Begründung seines gegen den Bescheid vom 07.12.2017 unter Vorlage seines Einkommenssteuerbescheides für das Jahr 2016 erhobenen Widers...

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