Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeldanspruch. Arbeitslosigkeit. kurzzeitige Beschäftigung. selbständige Tätigkeit
Orientierungssatz
1. Zur selbständigen Tätigkeit gehören nicht nur die Verrichtungen, mit denen unmittelbar Umsatz erzielt wird, sondern sämtliche Verrichtungen, die nach dem Gesamtbild bei der selbständigen Tätigkeit anfallen (vgl BSG vom 28.10.1987 - 7 RAr 28/86 = SozR 4100 § 102 Nr 7).
2. Bei der Feststellung des zeitlichen Umfangs einer selbständigen Tätigkeit sind daher neben dem Zeitaufwand für Vor- und Nacharbeit bei Kundenbesuchen die Fahrzeiten (vgl LSG Stuttgart vom 14.7.2000 - L 13 AL 3645/98 und LSG Essen vom 25.1.2001 - L 9 AL 115/99) und die Zeiten für Seminarbesuche (vgl LSG Stuttgart vom 19.4.2000 - L 5 AL 4454/99) zu berücksichtigen, soweit die Schulungen der selbständigen Tätigkeit dienen (hier Verbesserung der Erfolgsquote im Vermittlungsgeschäft).
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) und Rückforderung von Leistungen für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 1994.
Der 1950 geborene Kläger ist gelernter Elektromechaniker (Rundfunk). Er war unter anderem vom 30. November 1987 bis 31. Mai 1992 bei der Firma P -E GmbH, H, als Betriebsleiter beschäftigt. Nach vorübergehender Arbeitslosigkeit nahm er am 2. November 1992 eine Beschäftigung als Fertigungsleiter bei der Maschinenfabrik S GmbH auf. Das Arbeitsverhältnis endete am 31. Mai 1993. Der Kläger, der sich bereits am 5. Mai 1993 mit Wirkung zum 1. Juni 1993 bei der Beklagten (ArbA Villingen-Schwenningen) arbeitslos gemeldet hatte, teilte dem ArbA mit Erklärung vom 27. Mai 1993 mit, er übe eine freiberufliche Tätigkeit mit zwei Stunden pro Tag -- zehn bis zwölf Stunden pro Woche -- aus, indem er Versicherungen und Bausparverträge vermittele (angemeldet am 8. Dezember 1992 -- siehe Blatt 49 VerwA). Er verdiene ca. 100 DM pro Woche. Mit Bescheiden vom 4. und 11. Juni 1993 gewährte die Beklagte dem Kläger Alg für 441 Tage in Höhe eines wöchentlichen Leistungssatzes von 553,26 DM (Leistungsgruppe A/0, Leistungssatz 63%, Bemessungsentgelt 1680 DM), zunächst unter Anrechnung von 35,00 DM pro Woche aus der selbstständigen Tätigkeit (siehe Bescheid vom 9. Juni 1993 bzw. 11. Juni 1993). Das ArbA teilte dem Kläger mit, hinsichtlich der Leistungshöhe habe es vorläufig entschieden und die Leistung werde als Zuschuss gezahlt, wobei der Anrechnungsbetrag jedoch mit Bescheid vom 14. November 1994 komplett zurückgezahlt worden ist -- Blatt 50a/53 und 69 VerwA). Die Leistung in dieser Höhe bezog der Kläger bis zum 31. Dezember 1993. Ab 1. Januar 1994 (Bescheid vom 14. Januar 1994) betrug die Höhe des Alg wöchentlich 514,62 DM (Leistungsgruppe A/0, Leistungssatz 60%, Bemessungsentgelt 1690 DM) und ab 1. Juni 1994 534,42 DM (Leistungsgruppe A/0, Leistungssatz 60%, Bemessungsentgelt 1770 DM). Zum 1. Juli 1994 meldete sich der Kläger wegen Aufnahme einer "Arbeit" aus dem Leistungsbezug ab.
Bereits mit Bescheid vom 9. Juni 1993 betreffend die Anrechnung war der Kläger daraufhingewiesen worden, dass endgültig über die Höhe der Anrechnung erst entschieden werden könne, wenn Nachweise über das Nebeneinkommen bzw. die Steuerbescheide vorliegen würden. Mit Schreiben vom 3. Januar 1994, 28. Februar 1994 und 9. Juni 1994 erinnerte das ArbA jeweils an die Vorlage von Unterlagen. Im Zusammenhang damit übergab der Kläger Anfang 1994 den Vorauszahlungsbescheid des Finanzamtes Villingen-Schwenningen vom 12. Mai 1993 (angenommene Jahreseinkünfte aus selbstständiger Arbeit: 20.000 DM) nebst Provisionsabrechnungen der Firma A W (...) zum 3. September 1993 (Gutschrift 931,87 DM), zum 8. Oktober 1993 (3053,68 DM), zum 5. November 1993 (220,93 DM) und zum 10. Dezember 1993 (455,60 DM) und im November 1994 den vorläufigen Einkommensteuerbescheid des Finanzamtes Villingen-Schwenningen für 1993 vom 25. Oktober 1994, in dem die Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit -13.858,00 DM festgesetzt worden waren.
Eine 1995 durchgeführte Außendienstprüfung bei der Firma A erbrachte laut Außendienstbericht vom 29. März 1996 und der entsprechenden Auskunft der Firma A vom 27. März 1996 lediglich Informationen über die dem Kläger von der Firma A gezahlten Provisionen (siehe Blatt 72 ff VerwA). Insgesamt wurden dem Kläger für den Zeitraum 1. Januar 1994 bis 1. Juli 1994 mindestens ca. 38.000,00 DM Provisionen ausgezahlt. Die Firma A teilte dem ArbA ergänzend mit, sie könne zu den vom Kläger geleisteten Arbeitsstunden keinerlei Angaben machen. Er sei seit September 1992 als Mitglied der Außendienstorganisation selbstständiger Handelsvertreter gewesen.
Der Kläger gab bei seiner Vorsprache am 31. Mai 1996 sowie im weiteren Schreiben vom 29. Juni 1996 an, bis 30. Juni 1994 sei er wöchentlich maximal zehn bis elf Stunden für die Firma A tätig gewesen. Dieser Zeitraum umfasse auch die Schulungen in B. Die...