Orientierungssatz
1. Bei einer selbstständigen Tätigkeit ist die hierfür aufgewandte Zeit nicht nur in dem Anteil zu berücksichtigen, der auf solche Verrichtungen entfällt, mit denen unmittelbarer Umsatz erzielt wird. Vielmehr sind sämtliche Verrichtungen (und damit der mit diesen verbundene zeitliche Aufwand) zu berücksichtigen, die nach dem Gesamtbild bei der selbstständigen Tätigkeit anfallen (vgl BSG vom 28.10.1987 - 7 RAr 28/86 = SozR 4100 § 102 Nr 7).
2. Bei der Feststellung des zeitlichen Umfangs der selbstständigen Tätigkeit sind daher neben erfolglosen Kundenbesuchen und entsprechendem Zeitaufwand auch die entsprechende Vor- und Nacharbeit und Fahrzeiten zu berücksichtigen (vgl LSG Stuttgart vom 23.10.2002 - L 5 AL 225/00).
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) in den Zeiträumen vom 20. Juli 1998 bis 30. August 1998 und vom 28. September 1998 bis 12. November 1998 sowie die Erstattungsforderung, welche die Beklagte hinsichtlich der in diesen Zeiträumen gezahlten Leistungen und Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von ursprünglich 4.709,59 DM erhoben, zuletzt aber auf 4.500,62 DM begrenzt hat.
Der ... 1939 geborene, verheiratete Kläger erreichte nach dem Abitur den Hochschulabschluss des Diplom-Wirtschaftlers. Anschließend war er bis 1964 in verschiedenen Konsumgenossenschaften als Betriebsassistent bzw. Fachreferent tätig. In der Zeit vom 16. April 1964 bis 31. August 1971 war er in der Abteilung Preisbildung und Forschung im Ministerium für Handel und Versorgung der DDR tätig. Im Anschluss hieran folgte eine Tätigkeit in Lehre und Forschung an der K-M-Universität L. Zuletzt war der Kläger in der Zeit vom 01. September 1988 bis 31. Dezember 1991 beim Institut für Marktforschung L als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig. Seit 11. Oktober 1991 bezog er mit Unterbrechungen bis 28. Oktober 1997 Leistungen der Beklagten.
Er ist Vater einer ... 1978 geborenen, im streitigen Zeitraum studierenden Tochter, für die deren Mutter Kindergeld bezog.
Einen nach einer Tätigkeit als selbstständiger Dozent in der Zeit vom 29. Oktober 1997 bis 07. Dezember 1997 gestellten Antrag auf Arbeitslosengeld (Alg) lehnte die Beklagte mit bindendem Bescheid vom 10. Dezember 1997 ab.
Auf einen Antrag vom 09. Dezember 1997 bewilligte die Beklagte ihm mit Bescheid vom 08. Dezember 1997 Alhi nach einem Bemessungsentgelt (BE) von 1.040,00 DM wöchentlich unter Anrechnung von Einkommen i. H. v. 4,22 DM in Höhe von 229,80 DM wöchentlich = 38,30 DM täglich. Der Bewilligung lag die Leistungsgruppe D, allgemeiner Leistungssatz zu Grunde. Nach den Angaben im Antragsformular war die Steuerklasse IV ab dem 01. Oktober 1997 auf der Lohnsteuerkarte des Klägers eingetragen. Eintragungen zu Kindern waren auf der Lohnsteuerkarte nicht enthalten. Die Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit oder einer Nebenbeschäftigung wurde verneint.
Bei Antragstellung bestätigte der Kläger unterschriftlich, das Merkblatt für Arbeitslose erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen zu haben. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Kläger das Merkblatt für Arbeitslose, Stand Januar 1998, vorgelegt.
Mit Bescheid vom 16. Januar 1998 passte die Beklagte die Leistung an die Leistungsverordnung für das Jahr 1998 an. Der Zahlbetrag erhöhte sich auf 231,49 DM wöchentlich = 33,07 DM täglich.
Am 10. Juli 1998 teilte der Kläger mit, er sei bei seiner Ehefrau, die selbstständig sei, beschäftigt. Er legte Nebenverdienstbescheinigungen für die Zeit von Februar bis April 1998 vor, wonach er als selbstständiger Außendienstler (Kundenbesuche) im Umfang von 8 bis 14,5 Stunden wöchentlich tätig sei.
Der Kläger legte weitere Nebentätigkeitsbescheinigungen auch für die Zeit von Mai und September 1998 sowie Auszüge aus dem Fahrtenbuch für die Zeit vom 05. Mai bis 30. Juni 1998 und 08. Juli bis 29. September 1998 vor. Die darin genannten Fahrzeiten liegen über dem Umfang der bescheinigten Tätigkeitsdauer. Wegen des Inhalts der Nebentätigkeitsbescheinigungen und der Fahrtenbuchauszüge wird auf Bl. 76 – 78, 93 – 94, 113 – 115, 120 – 122 und 139 – 143 der Leistungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Mit Bescheid vom 09. November 1998 hob die Beklagte die Bewilligung von Alhi ab dem 12. November 1998 (für die Zukunft) auf, da die wöchentliche Arbeitszeit über 15 Stunden liege. Ob und inwieweit auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen sei, werde noch geprüft.
Mit Schreiben vom 09. November 1998 hörte die Beklagte den Kläger dazu an, im Zeitraum vom 05. Mai 1998 bis 11. November 1998 Alhi in Höhe von 6.316,37 DM zu Unrecht bezogen zu haben, weil die wöchentliche Arbeitszeit während des Nebeneinkommens über 15 Stunden betragen habe. Der Kläger habe erkennen können, dass die Voraussetzungen für die Leistung nicht mehr vorlagen.
Gegen den Aufhebungsbescheid vom 09. November 1998 erhob der Kläger Widerspruch. Er habe nicht erkennen können, dass die wöchentliche Arbeitszeit über 15 Stunden liege...