Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherung. Kurierfahrer. Versicherungspflicht bei Eingliederung in Betrieb seines Auftraggebers und Nichtvorliegen eines Unternehmerrisikos

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Kurierfahrer, der in den Betrieb seines Auftraggebers eingegliedert ist und kein Unternehmerrisiko trägt, kann auch dann abhängig beschäftigt sein, wenn er selbst vereinbarungsgemäß sogenannte "Subsubunternehmer" einsetzt.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 17.03.2016 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 5.000 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Beigeladene zu 1) bei der Klägerin in der Zeit vom 01.01.2011 bis 31.12.2012 als Selbstständiger oder abhängig Beschäftigter tätig war und ob er der Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung unterlag.

Die Klägerin und die Q. Bau- und Transport GmbH (im Folgenden Firma Q.), deren Geschäftsführerinnen Schwestern sind, erbringen Transportdienstleistungen. Einer ihrer Hauptkunden ist die H. Logistik Gruppe Deutschland (im Folgenden: H.). Maßgeblich für die Zusammenarbeit der Klägerin mit H. ist ein Satellitendepot-Vertrag. Die Einhaltung der dortigen Prozessrichtlinien muss die Klägerin auch gegenüber ihren Auftragnehmern sicherstellen. Die Klägerin und die Firma Q. haben in der B.-Straße ... in D. Büroräume und betreiben dort ein Auslieferungslager für H..

Der 1980 geborene Beigeladene zu 1), rumänischer Staatsangehöriger, meldete zum 26.10.2009 ein Gewerbe an für Transporte mit Kfz bis 3,5 t. Er war ab Ende 2009 als Kurierdienstfahrer für eine Subunternehmerin der Klägerin und der Firma Q. tätig mit einer eigenen Tour. Als die Subunternehmerin (Frau B.) Ende 2010 ihre Tätigkeit aufgab, übernahm der Beigeladene zu 1) quasi deren Rolle. Er übernahm etwa die Hälfte der Fahrer seiner bisherigen Auftraggeberin, mit denen er sog Vermittlungsverträge schloss. Mit der Klägerin (und der Firma Q.) schloss er am 15.12.2010 mit Wirkung ab 03.01.2011 einen Unternehmervertrag mit der Klägerin als Auftraggeber und ihm als Unternehmer. Dieser Vertrag lautete auszugsweise wie folgt:

§ 1 Gegenstand, Tätigkeit, Probezeit, Kündigung

1. Der Unternehmer wird ab 03.01.2011 Aufträge im Namen verschiedener Auftraggeber erhalten.

4. Die Gültigkeit dieses Unternehmervertrages ist davon abhängig, dass spätestens bei Antritt des ersten Auftrags durch den Unternehmer ordnungsgemäße und vollständige Geschäftsunterlagen (Gewerbeanmeldung, Führungszeugnis, Steuer-Nr, Bankverbindung, Führerschein, evtl ADR-Schein, Passkopie) übergeben werden.

5. Der Unternehmer ist selbst für die Einholung weiterer Aufträge verantwortlich.

7. Der Auftragnehmer übt seine Tätigkeit selbstständig aus. Er handelt im Namen und auf eigene Rechnung.

8. Der Auftragnehmer sichert zu, dass sowohl er als auch die etwa von ihm eingesetzten Subunternehmer keine Arbeitskräfte ohne erforderliche Arbeitserlaubnisse einsetzen. Diese Verpflichtung besteht auch im Hinblick auf das Gesetz zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung im gewerblichen Güterkraftverkehr.

9. Der Auftragnehmer wird Transporte selbst oder durch etwa von ihm eingesetzte Subunternehmer nur mit Fahrzeugen und Fahrern durchführen bzw durchführen lassen, für die alle erforderlichen Erlaubnisse vorliegen. Dies umfasst insbesondere die notwendige Berechtigung bei Transporten ≫ 3,5 t (Lizenz oder Erlaubnis) sowie die notwendigen Berechtigungen beim Einsatz von Drittstaatenkraftfahrern (Pass/Ausweis und Aufenthaltstitel oder inländische gültige Fahrerbescheinigung) nach dem Güterkraftverkehrsgesetz (GüKG) und sonstigen Vorschriften.

10. Der Auftragnehmer verpflichtet sich, seine Mitarbeiter und die etwa von ihm als Fahrpersonal eingesetzten Subunternehmer darauf hinzuweisen, die Unterlagen während aller Fahren für die Fa Q. mitzuführen und sowohl behördlichen Kontrollberechtigten als auch der Fa Q. auf Verlangen zur Prüfung auszuhändigen.

11. Der Auftragnehmer verpflichtet sich auch selbst, bei seinen Subunternehmern regelmäßig entsprechende Kontrollen durchzuführen.

12. Der Auftragnehmer verpflichtet sich bei Verstößen zur Übernahme des der Fa Q. hieraus entstehenden Schadens und stellt die Fa Q. diesbezüglich von jeglichen Nachteilen frei.

13. Der Auftragnehmer ist verpflichtet, der Fa Q. Änderungen in der Zusammensetzung der Fuhrparks (zB Reduzierung des Fuhrparks) und seiner sonstigen Auftraggeber (zB Wegfall weiterer Auftraggeber) unverzüglich mitzuteilen. Über den Umfang einer anderweitigen Tätigkeit ist der Auftragnehmer zur Auskunft verpflichtet. Die Verpflichtung zur Mitteilung besteht auch für den Fall, dass der Auftragnehmer nur noch Familienangehörige als Arbeitnehmer einsetzt.

14. Bei Verletzung dieser Verpflichtung sowie beim Vorliegen sonstiger Kriterien, die gegen die Unternehmereigenschaft sprechen, ist der Auftragnehmer der Fa Q. zum Er...

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