Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Zulassung. Gründungsvoraussetzung für ein MVZ. Änderung der Rechtslage im sozialgerichtlichen Verfahren. anzuwendendes Recht. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
1. Für die Entscheidung über ein Zulassungsbegehren (hier: eines Medizinischen Versorgungszentrums) ist nicht die Rechtslage bei Stellung des Zulassungsantrags (hier: § 95 Abs 1 S 6 Halbs 2 SGB 5 idF vom 22.12.2006), sondern die Rechtslage bei Schluss der mündlichen Gerichtsverhandlung maßgebend (hier: § 95 Abs 1a S 1 Halbs 1 SGB 5 idF vom 22.12.2011).
2. Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen dagegen nicht.
Normenkette
SGB V § 95 Abs. 1 S. 6 HS 2, Abs. 1a S. 1 HS 1, § 126 Abs. 3; Ärzte-ZV § 19 Abs. 1 S. 2; SGG § 54 Abs. 1 S. 1 2. Alt; GG Art. 14 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 21.10.2014 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2) bis 7).
Der Streitwert wird für beide Rechtszüge auf 60.000 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Zulassung eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ), in dem vertragsärztliche und vertragszahnärztliche Leistungen erbracht werden sollen, zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung.
Die als GmbH verfasste Klägerin wurde durch Gesellschaftsvertrag vom 27.09.2011 (als GmbH) errichtet. Gesellschafter sind der zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Facharzt für Allgemeinmedizin B.E. und (der an der Hilfsmittelversorgung der Versicherten teilnehmende) Herr G.E. Die Gesellschafter sind Brüder und je zur Hälfte am Stammkapital der Klägerin (von 25.000 €) beteiligt. Ihre Mutter - Dr. H.E. - ist Zahnärztin und zur Teilnahme an der vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen. Unternehmensgegenstand der Klägerin sind gemäß § 2 des Gesellschaftsvertrags die Gründung und der Betrieb von medizinischen Versorgungszentren i.S.d. § 95 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) zur Erbringung aller danach zulässigen ärztlichen/zahnärztlichen und nichtärztlichen/nicht zahnärztlichen Leistungen und aller hiermit im Zusammenhang stehenden Tätigkeiten sowie die Bildung von Kooperationen mit ambulanten und stationären Leistungserbringern der ärztlichen/zahnärztlichen Behandlung, der Vorsorge und der Rehabilitation mit nichtärztlichen und nicht zahnärztlichen Leistungserbringern im Bereich des Gesundheitswesens einschließlich des Angebots und der Durchführung neuer ärztlicher/zahnärztlicher Versorgungsformen, wie z.B. die integrierte Versorgung. Gemäß § 12 des Gesellschaftsvertrags ist der ärztliche Leiter des MVZ bei der Erfüllung seiner ihm obliegenden Aufgaben frei von Weisungen der Geschäftsführung und der Gesellschafterversammlung.
Mit Schreiben vom 08.06.2011 hatte Herr B.E. der Beigeladenen zu 1) mitgeteilt, er wolle mit Frau H.E., einer Zahnärztin, ein MVZ gründen und bitte um Übersendung der Antragsformulare.
Mit Schreiben vom 29.06.2011 übersandte der Zulassungsausschuss für Ärzte für den Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg - Bezirk K.- - (ZA-Ärzte) Herrn B.E. die erbetenen Antragsunterlagen. Außerdem wurde darauf hingewiesen, es sei fraglich, ob die Gründung eines MVZ durch einen Vertragsarzt und einen Vertragszahnarzt zulässig sei. Eine Beratung durch die Beigeladene zu 1) werde angeraten.
Unter dem 19.09.2011 stellten die Herren B.E. und G.E. beim ZA-Ärzte und beim Zulassungsausschuss für Zahnärzte Baden-Württemberg - Bezirksdirektion K. - (ZA-Zahnärzte) einen Antrag auf Zulassung des MVZ mit Sitz in H. (B.) zum 15.12.2011. Die ärztliche kooperative Leitung solle erfolgen für den ärztlichen Bereich durch Herrn B.E. und für den zahnärztlichen Bereich durch Frau H.E. Herr B.E. werde auf dem Fachgebiet der Allgemeinmedizin tätig sein, Frau H.E. auf dem Fachgebiet der Zahnmedizin. Ein Zulassungsantrag für die vertragszahnärztliche Versorgung sei gesondert gestellt worden. Außerdem solle ein weiterer Zahnarzt als angestellter Arzt beschäftigt werden.
Vorgelegt wurden (u.a.) der Gesellschaftsvertrag der Klägerin, als (Freier Dienst-)Vertrag über die Mitarbeit im Medizinischen Versorgungszentrum H. Süd als Vertragszahnärztin bzw. als Vertragsarzt bezeichnete Verträge zwischen der Klägerin und Frau H.E. bzw. Herrn B.E. vom 21.10.2011 (mit Arbeitszeiten im MVZ von Montag bis Freitag 8.30 Uhr bis 18.00 Uhr, einem Festhonorar von 24.000,00 € jährlich zzgl. variablem Honorar und einem Urlaubsanspruch von 30 Tagen), ein Schreiben der Beigeladenen zu 1) - A. - vom 23.08.2011 über die Bestätigung des Beitritts des Herrn G.E. zu Leistungserbringerverträgen (FOS-Vertrag Kleinorthopädie, Leistungen ohne Vertragspreis), einen Vertrag (nach §§ 126 und 127 SGB V) zwischen den Beigeladenen zu 3) und 4) und Herrn G.E. über die Versorgung der Versicherten mit (ortho...