Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungspflicht. Frachtführer/Transportfahrer im Güternahverkehr. abhängige Beschäftigung. selbständige Tätigkeit. Abgrenzung. Zulässigkeit des Anfrageverfahrens iSv § 7a SGB 4 nach Beendigung des Beschäftigungs- bzw Vertragsverhältnisses

 

Orientierungssatz

1. Eine derart weitgehende Einschränkung dahingehend, dass das in § 7a SGB 4 vorgesehene Anfrageverfahren nach Beendigung der Vertragsbeziehung nicht mehr statthaft ist, kann dem Wortlaut des Gesetzestextes nicht entnommen werden. § 7a Abs 1 SGB 4 enthält insoweit keine Regelung hinsichtlich des Zeitpunkts der Antragstellung, allgemein kann ein Antrag daher nur unter den seltenen Umständen unzulässig sein, in denen die Voraussetzungen der Verwirkung gegeben sind.

2. Zur Sozialversicherungspflicht eines Frachtführers im Güternahverkehr.

 

Tenor

Auf die Berufungen der Beklagten und des Beigeladenen wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 25. Juli 2005 aufgehoben und die Klage der Klägerin abgewiesen.

Die Kosten des Klageverfahrens trägt die Klägerin mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selber trägt.

Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen im Berufungsverfahren trägt die Klägerin. Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert für das Klageverfahren wird auf 10.000 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob die Tätigkeit des Beigeladenen bei der Klägerin in der Zeit vom 1. November 1996 bis 31. Mai 1999 als sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zu werten ist.

Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), die u.a. Transporte mit einem eigenen Fuhrpark oder mit Partnerkooperationen durchführt. Das Unternehmen wurde 1993 gegründet und besaß ab 1994 eigene Lastkraftwagen (Lkw). In den Jahren von 1996 bis 1999 war es ein reines Fuhrunternehmen, das Transportaufträge für andere Firmen (darunter auch Speditionen) ausführte. Der ... 1937 geborene, aus dem ehemaligen Jugoslawien stammende Beigeladene ist deutscher Staatsangehöriger. Er war jahrelang als selbständiger Fuhrunternehmer tätig, hatte noch 1994 drei eigene Lkw besessen und zwei Fahrer beschäftigt. Nachdem er jedoch die Sozialversicherungsbeiträge nicht mehr bezahlen konnte, wurde ihm mit Bescheid der Stadt Stuttgart vom 31. August 1994 die Erlaubnis zur Durchführung des Güternahverkehrs entzogen und die sofortige Vollziehung dieser Entscheidung angeordnet. Der Beigeladene legte gegen diesen Bescheid Widerspruch ein, über den aber bis 1999 nicht entschieden worden war.

Am 8. November 1996 schlossen die Klägerin und der Beigeladene mit Wirkung vom 1. November 1996 folgende als "Beschäftigungsvertrag" bezeichnete Vereinbarung:

"1. Die Fa. M S wird als Nahverkehrsunternehmer beschäftigt.

Inhalt des Vertrages ist die Zustellung und Abholung von Speditionsgütern.

Die Fa. M S stellt ein Fahrzeug mit 5,0 Tonnen Nutzlast = 15 Palettenplätze.

Die Tagestour beginnt morgens um 6:00 Uhr und endet am Abend um 18.00 Uhr. Bei Ausfall des Fahrzeuges wird von der Fa. M S spätestens am 3-ten Tag ein Ersatzfahrzeug gestellt.

2. Als Vergütung wird ein Tagespauschalsatz von max. DM 400,- pro Fahrzeug vereinbart, jedoch nicht mehr als 95 % des Erlöses von Fa K & S GmbH.

Diese Vereinbarung bezieht sich auf den in Punkt 1 genannten Fahrzeugtyp. Die Abrechnung erfolgt im Laufe des Folgemonats.

3. Es wurde weiterhin vereinbart, daß das Fahrzeug auf die Farben, welche Fa. K & S GmbH wünscht, umgerüstet wird. Die Umlackierung geht zu Lasten der Fa. M S. Die Kosten der Beschriftung der Plane wird von der Fa. K S GmbH übernommen.

4. Sollte der Vertrag innerhalb von einem Jahr seitens der Fa. M S oder von der Fa. K & S GmbH aus wichtigem Grund, der von der Fa. M S zu vertreten ist, gekündigt werden, hat die Fa. K & S GmbH das Recht, die von ihr eingebrachten Kosten zurückzufordern.

Der Vertrag kann mit einer Frist von 1 Monat zum Monatsende von beiden Seiten gekündigt werden. Unberührt davon sind wichtige Gründe, die eine fristlose Kündigung dieser Vereinbarung rechtfertigen. Hierzu zählen insbesondere:

Nachlässigkeit bei der Belieferung,

Abholung unserer Kunden

Verstöße gegen die getroffenen Frachtvereinbarungen,

Hausverbot bei Auftraggeber oder Kunden,

wiederholte fahrlässige Beschädigungen und Verluste der Güter.

5. Bezüglich des Einsatzes während der Sommerferien sowie der Weihnachtszeit, kann dahingehend eine Vereinbarung getroffen werden, daß die Fa. K S. GmbH den LKW für bis zu 3 Wochen wegen schwacher Auftragslage nicht beschäftigt.

6. Die Fa. K & S GmbH geht davon aus, daß die Fa. M S im Besitz einer gültigen Nahverkehrserlaubnis ist. Gleichzeitig versichert die Fa. M S, daß sie eine gültige AGMB-Versicherung abgeschlossen hat, hiervon ist eine Kopie beizufügen.

7. Ausrüstung des Fahrzeuges mit GGVS-Führerschein.

Das Fahrzeug muß mit einer Gefahrgutausrüstung gemäß GGVS neuester Fassung ausgestattet sein. Der Fahrer muß nach...

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