Entscheidungsstichwort (Thema)
Existenzgründungszuschuss. Rücknahme. selbständige Tätigkeit. Kurierfahrer. Abgrenzung zur nichtselbständigen Arbeit. im Aufbau befindliches Unternehmen
Leitsatz (amtlich)
Zur Rückforderung gewährter Existenzgründungszuschüsse bei Kurierfahrten: Es spricht nicht gegen eine von Anfang an selbständige Tätigkeit als Kurierfahrer, dass zu Beginn der Existenzgründung nur für einen Auftraggeber mit dessen zur Verfügung gestelltem Fahrzeug Fahrten unternommen werden, wenn das Gesamtbild des Tätigkeitsverlaufes durch objektive Umstände zeigt, dass der typische Fall eines im Aufbau befindlichen Unternehmens vorliegt (Ausweitung der Geschäftstätigkeit auf mehrere Auftraggeber, Einsatz eigener Fahrzeuge, eigene Angestellte in der Folgezeit).
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 22. Juni 2011 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte erstattet auch die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Rückforderung von 14.400 € Existenzgründungszuschuss für die Zeit vom 02.08.2004 bis 01.08.2007.
Der im Jahr 1954 geborene Kläger war arbeitslos gemeldet und bezog Arbeitslosenhilfe von der Beklagten in Ergänzung zu einer Unfallrente der Berufsgenossenschaft für Feinmechanik und Elektrotechnik in Höhe von rund 349 € monatlich. Einkünfte aus einer geringfügigen Beschäftigung als Fahrer für die T. GmbH in Höhe von 150 € monatlich meldete der Kläger regelmäßig der Beklagten unter Vorlage entsprechender Nebentätigkeitsbescheinigungen.
Am 14.07.2004 beantragte der Kläger die Bewilligung von Existenzgründungszuschuss für die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit für Kleintransporte und Kurierdienst. Auf dem eingereichten Formular beantwortete er die Frage nach einer persönlichen Abhängigkeit von einem Auftraggeber insbesondere durch örtliche, zeitliche, inhaltliche oder fachliche Weisungen mit Nein. Eine Einbindung in die Organisation eines Auftraggebers insbesondere durch die Zusammenarbeit mit Mitarbeitern des Auftraggebers oder durch die Arbeit mit Arbeitsmitteln des Auftraggebers beantwortete der Kläger ebenfalls mit nein. Er sei unter anderem in der Gestaltung der Preise frei und genieße zeitliche, örtliche und inhaltliche unternehmerische Freiheit und habe einen eigenen Kundenstamm. Im Anhang zu diesem Vordruck befand sich ein Hinweis zu den Kriterien zur Abgrenzung selbständiger Tätigkeit von abhängiger Beschäftigung. Dort findet sich unter anderem folgender Abschnitt:
“Beispiele für verbreitete Betätigungsfelder in der Scheinselbständigkeit:
Unterfrachtführer (Selbstfahrer), Kurierfahrer, die nur für eine Firma arbeiten, […]„.
Mit Bescheid vom 27.07.2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger Existenzgründungszuschuss für die Zeit vom 02.08.2004 bis 01.08.2005 in Höhe von 600 € monatlich. Zum 02.08.2004 meldete der Kläger ein entsprechendes Gewerbe an. Ab 02.08.2004 übernahm er Tätigkeiten bei der Firma T. GmbH. Weitere Auftraggeber hatte der Kläger nicht. Er fuhr mit Fahrzeugen der Firma T. GmbH Medikamente und Gerätschaften zu verschiedenen Apotheken. Dazu wurde er nach einem festen Stundensatz entlohnt, den er mithilfe von Rechnungen bei der T. geltend machte, auf denen er auch Mehrwertsteuer auswies.
Am 06.07.2005 beantragte der Kläger auf einem entsprechenden Vordruck der Beklagten die Weitergewährung des Existenzgründungszuschusses. Mit Ausnahme eines Wohnortwechsels gab er keine Änderungen an. Dem Vordruck war erneut ein entsprechender Hinweis auf die mögliche Scheinselbständigkeit von Kurierfahrern angefügt.
Mit Bescheid vom 06.10.2005 bewilligte die Beklagte dem Kläger Existenzgründungszuschuss in Höhe von 360 € monatlich für die Zeit vom 02.08.2005 bis 01.08.2006.
Am 01.08.2006 beantragte der Kläger erneut die Weitergewährung von Existenzgründungszuschuss. Änderungen hätten sich nicht ergeben. Mit Bescheid vom 02.08.2006 bewilligte die Beklagte dem Kläger Existenzgründungszuschuss in Höhe von 240 € monatlich in der Zeit vom 02.08.2006 bis 01.08.2007.
Im Rahmen einer polizeilichen Vernehmung am 27.08.2008 aufgrund eines anderen Sachverhalts kam beim Polizeipräsidium K. der Verdacht einer Scheinselbständigkeit des Klägers auf. Dort erklärte der Kläger im Rahmen einer Zeugenvernehmung, er sei selbständig und beliefere Apotheken mit Medikamenten. Dazu benutze er einen Kleintransporter, der der Firma T. gehöre, von der er seine Aufträge erhalte. Für diese Firma arbeite er seit sechs Jahren. Seit vier Jahren beliefere er immer dieselben Apotheken in der S.. Das Polizeipräsidium K. übersandte die Zeugenaussage an die Beklagte und bat um Bezifferung eines eventuellen Schadens. Das angestrengte Strafverfahren wurde im Hinblick auf den hiesigen Rechtsstreit vorläufig eingestellt.
Die Beklagte kam zu dem Ergebnis, dass bei der ersten Bewilligung des Existenzgründungszuschusses bereits ein Arbeitsverhältnis zur T. GmbH bestanden habe. Außerdem fahre der Kläger ausschließlich für diese Firma.
Mit Schreiben vom 21.10.20...