Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsförderung. Anspruch auf Existenzgründungszuschuss. Abgrenzung zwischen selbständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung. LKW-Fahrer ohne eigenes Fahrzeug. Unternehmerrisiko. Zurverfügungstellung der Arbeitskraft
Leitsatz (amtlich)
Ein Mietfahrer (LKW-Fahrer) ohne eigenes Fahrzeug ist in der Regel abhängig beschäftigt.
Orientierungssatz
1. Die Gewährung eines Existenzgründungszuschusses setzt nach § 421 l SGB 3 u. a. die Aufnahme einer selbständigen hauptberuflichen Tätigkeit voraus. Selbständig ist eine Tätigkeit in Abgrenzung zur abhängigen Beschäftigung, wenn sie mit einem Unternehmerrisiko verbunden ist, ein Weisungsrecht Dritter fehlt und die Befugnis besteht, über die eigene Arbeitskraft, die Arbeitszeit und den Arbeitsort im Wesentlichen frei zu verfügen.
2. Ein Lkw-Fahrer, der nur seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt und darauf angewiesen ist, dass ihm Einsatzfirmen einen Lkw als Arbeitsgerät bereit stellen und bei dem Art und Inhalt seiner Tätigkeit vorbestimmt sind, trägt kein Unternehmerrisiko. Er übt keine selbständige Tätigkeit, sondern eine abhängige Beschäftigung aus.
3. Dass der Mietfahrer ein Gewerbe angemeldet hat und vom Finanzamt und der Berufgenossenschaft als Selbständiger geführt wird, ist rechtlich unbeachtlich.
Normenkette
SGB III § 421l
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 16. Januar 2008 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung eines Existenzgründungszuschusses.
Der … 1945 geborene Kläger, der langjährig als Berufskraftfahrer gearbeitet hat, beantragte am 23. März 2006 die Gewährung eines Existenzgründungszuschusses zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit nach § 421l Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Er gab an, ab 3. April 2006 in A. eine mehr als kurzzeitige hauptberufliche selbständige Tätigkeit als selbständiger Kraftfahrer ohne eigenes Fahrzeug aufzunehmen. Am 3. April 2006 erfolgte eine Gewerbeanmeldung des Klägers; die angemeldete Tätigkeit wurde als Mietfahrer ohne eigenes Fahrzeug beschrieben. Am selben Tag unterzeichnete der Kläger einen Vermittlungsvertrag mit der Firma J.-C. M. (im Folgenden: J.-C. M.), auf dessen Einzelheiten Bezug genommen wird. Der Steuerberater K., S., nahm als fachkundige Stelle positiv zur Tragfähigkeit der Existenzgründung Stellung. In seiner zu den Akten der Beklagten gereichten Rentabilitätsvorschau vom 25. April 2006 führte er aus, der Kläger beabsichtige, für verschiedene Fuhrunternehmen als selbständiger Kraftfahrer zu arbeiten. Mit vier Firmen seien Absprachen getroffen worden. Kapitalbedarf sei nicht vorhanden; ein Büroraum werde unter privater Adresse eingerichtet. Der Kläger gehe bei seinen Einnahmen von einem Tagessatz von 120,00 EUR einschließlich Umsatzsteuer (USt) aus. Bei einer 5-6 Tage-Woche seien jährlich zwischen 210 und 240 Tage anzusetzen; hieraus errechne sich bei Abzug der USt und jährlicher Kosten in Höhe von 4.500,00 EUR ein Überschuss von 17.200,00 bis 20.300,00 EUR. Damit scheine der Aufbau einer gesicherten Existenzgrundlage gegeben.
Unmittelbar vor der Aufnahme seiner Tätigkeit als Mietfahrer bezog der Kläger nach eigenen Angaben Arbeitslosengeld von der Beklagten.
Mit Bescheid vom 26. Juni 2006 lehnte die Beklagte die Gewährung eines Existenzgründungszuschusses ab. Sie führte sinngemäß aus, dass dem Antrag keine selbständige Tätigkeit des Klägers zugrunde liege. Die selbständige Arbeit sei gekennzeichnet durch die frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit und die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft. Der Selbständige arbeite im eigenen Namen und für eigene Rechnung und trage das wirtschaftliche Risiko seiner Tätigkeit (Unternehmerrisiko). Dazu gehöre regelmäßig der Einsatz eigenen Kapitals mit der Gefahr des Verlustes. Das Unternehmerrisiko könne aber auch schon im ungewissen Erfolg des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft liegen. Dann müsse die Belastung mit Risiken aber mit einem deutlichen Zuwachs an Dispositionsfreiheit und Gewinnchancen einhergehen. Scheinselbständig, d.h. faktisch abhängig beschäftigt, könne hingegen sein, wer wirtschaftlich und persönlich im Regelfall nur an einen Auftraggeber gebunden sei, z.B. durch Eingliederung in den organisierten Betriebs- und Arbeitsablauf des Auftraggebers und durch genaue Auftrags- und Terminvorgaben. Die Situation eines Scheinselbständigen gleiche der eines abhängigen Arbeitnehmers, der an das Weisungsrecht des Arbeitgebers und die Eingliederung in einen fremden Betrieb gebunden sei (örtliche, zeitliche und inhaltliche Weisungsbindung). Nach dem Vermittlungsvertrag sei der Kläger der Firma J.-C. M. gegenüber verpflichtet, Stundennachweise oder Wochenberichte vorzulegen. Bei fehlenden Fahrberichten würden ihm 25 Arbeitstage in Rechnung gestellt. Zudem dürfe der Mietfahrer in den von der Firma J.-C. M. vermittelten Einsatzfir...