Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung
Leitsatz (amtlich)
Ein Kehlkopfkarzinom ist bei Malern und Lackierern nach dem derzeitigen Stand der medizinischen Wissenschaft nicht als Berufskrankheit anzuerkennen. Auch die Ergebnisse der Rhein-Neckar-Larynxstudie belegen keine gruppentypische Risikoerhöhung für diesen Personenkreis.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 11.05.2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung eines Larynxkarzinoms (Kehlkopfkarzinom) als sogenannte Wie-Berufskrankheit (Wie-BK) im Sinne des § 9 Abs. 2 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) streitig.
Der am … 1941 geborene Kläger absolvierte von 1957 bis 1960 eine 2½-jährige Malerlehre. Dabei war er beim Ausbrennen von Farbtöpfen polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) und anderen Crack- und Verbrennungsprodukten sowie beim Teeren von Dächern PAK ausgesetzt, ferner aromatenhaltigen Lösungsmitteln beim Lackieren und Reinigen. Nach seinem Wehrdienst nahm der Kläger im November 1962 im V.-W.-Maschinenbau in C. eine Tätigkeit auf, die er bis 1985 ausübte. Dabei absolvierte er zunächst eine Ausbildung zum Spritzlackierer und war dann anschließend in der betriebseigenen Lackiererei tätig. Dort war er durch das Lackieren mit Kopallack (1962 bis 1965), Chlorkautschuklack (1965 drei Monate lang), Alkydharzfarbe (1965 bis 1976) und PUR-Lack (1976 bis 1985) sowie durch den Umgang mit Verdünnung (1962 bis 1985) jeweils aromatenhaltigen Lösemitteln ausgesetzt, ferner von 1979 bis 1985 durch das Arbeiten am Trockenofen auch Asbest. Von 1985 bis 1992 war der Kläger bei der D. B. AG in S. in der Lackiererei beschäftigt und dort wiederum aromatenhaltigen Lösemitteln und ferner Feinstaub ausgesetzt. Während seines hiernach ab 1993 erfolgten Einsatzes in der Montage war der Kläger gegenüber keinen krebserzeugenden Arbeitsstoffen exponiert.
Nachdem beim Kläger im Jahr 1992 eine Leukoplakie der Stimmbänder beidseits festgestellt worden war und hiernach mehrmals Abtragungen von Leukoplakien vorgenommen werden mussten, wurde im Jahr 1998 ein Stimmbandkarzinom der linken Stimmlippe diagnostiziert und laserchirurgisch eine frontale Kehlkopf-Teilresektion durchgeführt. Histologisch handelte es sich um ein hochdifferenziertes verhornendes invasiv wachsendes Plattenepithelkarzinom.
Im Juni 1998 meldete die Ehefrau des Klägers den Verdacht auf eine Berufskrankheit (BK) und machte geltend, von medizinischer Seite werde die Krebserkrankung in der beruflichen Tätigkeit ihres Ehemannes in der Lackiererei gesehen. Die Beklagte holte eine Stellungnahme ihres Technischen Aufsichtsdienstes (TAD) ein, zog Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärzte sowie weitere medizinische Unterlagen bei und von der AOK - Die Gesundheitskasse für den Kreis B. das über den Kläger geführte Vorerkrankungsverzeichnis. Sodann holte sie das arbeitsmedizinische Gutachten des Dr. R. , Klinik für Berufskrankheiten in Bad R. , ein. Dieser fand radiologisch und computertomografisch keinen Nachweis für asbestassoziierte Lungen- oder Pleuraveränderungen und vertrat die Auffassung, die Anerkennung einer BK nach Nr. 4104 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) könne wegen fehlender sogenannter Brückensymptome derzeit nicht empfohlen werden. Die Beklagte holte nun eine Stellungnahme des den Kläger behandelnden HNO-Arztes Dr. B. , Hals-Nasen-Ohren-Klinik im O. S. , ein, der auf die Bedeutung der Synkarzinogenese (Kombinationseffekt zweier unabhängig voneinander am gleichen Organ wirkender Stoffe, der durch eine reine Addition bis hin zu einer Potenzierung der einzelnen Risikofaktoren charakterisiert sei) hinwies, wobei Kanzerogene in jeweils unwirksamer Einzeldosierung in der Kombination Krebs erzeugen könnten. Nachgewiesen worden seien die verschiedenen synergetischen Effekte von Benzo(a)pyren mit Titandioxid oder Eisenoxidstaub oder Siliziumoxidstaub mit Asbest oder Dimethylnitrosamin an Schleimhäuten des oberen Atmungstraktes bei Tieren. Für Menschen bestünden noch keine wissenschaftlich gesicherten Belastungsprofile. Beim Kläger müsse jedoch § 9 Abs. 2 SGB VII geprüft werden, und zwar ob sein Tumorleiden nicht als multikausal verursachte BK anerkannt werden könne. Nach der von der Beklagten sodann vom Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften (HVBG) eingeholten Auskunft waren dort keine Informationen vorhanden, dass sich der Verordnungsgeber mit der Frage befasst habe, ob Kehlkopfkarzinome bzw. Plattenepithelkarzinome bei Malern und Lackierern nach der Einwirkung von aromatenhaltigen Lösungsmitteln, Alkylharzfarben und PUR-Farben in die BK-Liste aufgenommen werden sollen oder es hierzu neue medizinisch-wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse gebe.
Mit Bescheid vom 07.08.2000 lehnte die Beklagte die Anerkennung der Kehlkopfkrebserkrankung des Klägers als BK ab und führte zur Begründun...