Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. beamteter Hochschullehrer. Nebentätigkeit als leitender Klinik- oder Chefarzt an einem Krankenhaus (vorliegend in Form einer GmbH) in Baden Württemberg. abhängige Beschäftigung. separate Rechtsverhältnisse. Hochschulrecht
Leitsatz (amtlich)
1. Beamtete Hochschullehrer, die daneben als Chefärzte an einem Krankhaus (vorliegend in Form einer GmbH) im Bereich der Krankenversorgung tätig sind, stehen in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zu dem Krankenhaus.
2. Eine neben oder unabhängig von dem nach § 27 Abs 1 Nr 1 SGB III versicherungsfreien Beamtenverhältnis ausgeübte Beschäftigung unterliegt - anders als im Krankenversicherungsrecht (§ 6 Abs 3 SGB V) - grundsätzlich der Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung.
3. Das baden-württembergische Hochschulrecht sieht keine zwingende Verknüpfung zwischen der Ernennung zum Universitätsprofessor der Medizin und der Tätigkeit als leitender Klinik- oder Chefarzt an einem Krankenhaus (vorliegend in Form einer GmbH) vor.
Orientierungssatz
Auch die Versicherungsfreiheit nach § 5 Abs 1 S 1 SGB 6 ist beschäftigungsbezogen und erstreckt sich nicht auf Beschäftigungsverhältnisse, die neben der Tätigkeit als Beamter ausgeübt werden (vgl BSG vom 23.9.1980 - 12 RK 41/79 = BSGE 50, 231 = SozR 2200 § 1229 Nr 12).
Normenkette
SGB IV § 7 Abs. 1 Sätze 1-2, §§ 25, 28d S. 1, § 28p Abs. 1 Sätze 1, 5; SGB III § 25 Abs. 1 S. 1, § 27 Abs. 1 Nr. 1, §§ 28, 348 Abs. 1, § 358 Abs. 1, § 359 Abs. 1; SGB V § 6 Abs. 1 Nrn. 1-2, Abs. 3; SGB VI § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 5 Abs. 1 S. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 1; SGB X § 12 Abs. 2 S. 2; AAG § 7 Abs. 1, 2 S. 1, § 10; GG Art. 5 Abs. 3 S. 1; LHG BW §§ 13a, 44 Abs. 1 Nr. 1, § 46 Abs. 1 S. 8, § 53 Abs. 1; UKG BW § 1 Abs. 5, § 2 Abs. 1 S. 1, § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 4-5; LNTV BW § 5 Abs. 2 Sätze 2-6; SGG § 75 Abs. 2, § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, §§ 183, 197a Abs. 1 S. 1; VwGO § 154 Abs. 1-3, § 162 Abs. 3
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 27. Februar 2018 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Versicherungspflicht der Beigeladenen Ziff. 1 bis 21 nach dem Recht der Arbeitsförderung sowie hinsichtlich des Beigeladenen Ziff. 5 auch zur gesetzlichen Rentenversicherung für die Zeit vom 1. Januar 2009 bis zum 31. Dezember 2012 sowie eine Nachforderung von Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung einschließlich der Arbeitgeberumlage U2 und der Insolvenzgeld-Umlage und bezüglich des Beigeladenen Ziff. 5 auch von Rentenversicherungsbeiträgen streitig.
Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) mit Sitz in M.. Gegenstand des Unternehmens ist der Betrieb des Klinikums M. einschließlich der organisatorisch und wirtschaftlich mit ihm verbundenen Einrichtungen und Nebenbetriebe sowie die Schaffung der Rahmenbedingungen zum Betrieb der Fakultät für Klinische Medizin M. der Universität H. durch das Land Baden-Württemberg bzw. die Universität H.. Sie hat insbesondere den Zweck:
a) der bedarfsgerechten Versorgung der Einwohner der Stadt M. sowie der in das Klinikum eingewiesenen Personen im Rahmen der vom Gesetzgeber vorgesehenen Aufgabenstellung durch ein leistungsfähiges, wirtschaftlich gesichertes Krankenhaus,
b) der medizinisch zweckmäßigen und ausreichenden Versorgung der im Klinikum behandelten Patienten,
c) der ärztlichen Fort- und Weiterbildung sowie der Aus-, Fort- und Weiterbildung von Angehörigen anderer Fachberufe des Gesundheitswesens,
d) der klinischen Ausbildung von Studierenden der Medizin der Fakultät für Klinische Medizin M. der Universität H.,
e) der Mitwirkung an der Gewährleistung der Einheit von Forschung, Lehre und Krankenversorgung.
Alleinige Gesellschafterin der Klägerin ist die Stadt M.. Am 9. Dezember 2008 schlossen die Klägerin, das Land Baden-Württemberg und die Universität H. eine Rahmenvereinbarung u.a. mit folgenden Regelungen
„§ 1 Bezeichnungen
(1) Das Klinikum führt die Bezeichnung „Klinikum M. GmbH, Klinikum, Medizinische Fakultät M. der Universität H.“.
(2) Kliniken und Institute des Klinikums führen die Bezeichnung „U. Klinik“ oder „U. Institut“, wenn sie von einem Professor geleitet werden. Die Bezeichnung muss mit dem Zusatz über die fachliche Ausrichtung verbunden werden und die Zugehörigkeit zum Klinikum ebenso wie die Verbindung mit der Universität H. verdeutlichen. Die konkret vom Klinikum vorgesehene Bezeichnung bedarf der Zustimmung der Universität.
§ 2 Aufgaben
(1) Das Klinikum erfüllt die der Stadt M. obliegenden Aufgaben der Krankenversorgung, die Universität ihre Aufgabe in Forschung und Lehre. Die Vertragspartner unterstützen sich gegenseitig bei der Erfüllung ihrer Aufgaben. Das Klinikum und die Universität - über ihre medizinische Fakultät M. - gewährleisten die Verbindung der Krankenversorgung mit Forschung und Lehre. Das Klinikum w...