Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattung von Arbeitgeberzuschuss zum Mutterschaftsgeld. Berechnung des Erstattungsbetrages des Arbeitgebers nach einem fiktiven Einkommen in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze. Befugnis der Begrenzung des Versicherungsleistung in der Mutterschaftsleistungsversicherung durch Satzungsregelung der Krankenkasse nach § 9 Abs 2 Nr 1 AufAG. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
1. Es ist nicht zulässig, den Erstattungsanspruch des Arbeitgebers nach § 1 Abs 2 Nr 1 AufAG in Fällen, in denen das Bruttoarbeitsentgelt der Arbeitnehmerin über der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung liegt, per Satzungsregelung auf einen fiktiven Zuschussbetrag zu begrenzen, der sich ergibt, wenn an Stelle des tatsächlichen ein fiktives Bruttogehalt in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze angesetzt wird.
2. Der Wortlaut des § 9 Abs 2 Nr 1 AufAG beschränkt die Befugnis des Satzungsgebers zur Begrenzung der Versicherungsleistung ausdrücklich auf die Entgeltfortzahlungsversicherung und erlaubt eine Pauschalierung und damit ggfls auch eine (gewisse) Begrenzung der Versicherungsleistung in der Mutterschaftsleistungsversicherung nur hinsichtlich der Erstattung des Arbeitgeberanteils an den Sozialabgaben bei gem § 11 MuSchG fortgezahltem Arbeitsentgelt. Eine erweiternde Auslegung lässt der Gesetzeswortlaut des § 9 Abs 2 Nr 1 AufAG nicht zu.
3. Auch aus verfassungsrechtlichen Gründen bzw vor dem Hintergrund des sozialversicherungsrechtlichen Äquivalenzprinzips kommt nicht in Betracht, die für die Entgeltfortzahlungsversicherung des § 1 Abs 1 AufAG geltende Begrenzungsermächtigung des § 9 Abs 2 Nr 1 AufAG auf die Mutterschaftsleistungsversicherung zu erstrecken.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart Vom 2.11.2009 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten auch des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Zuschuss zum Mutterschaftsgeld der Arbeitnehmerin K. (im Folgenden: Arbeitnehmerin), den der Beklagte der Klägerin gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes über den Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung (Aufwendungsausgleichgesetz, AAG) erstatten muss, nach dem (realen), über der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung liegenden Einkommen der Arbeitnehmerin oder (höchstens) nach einem (fiktiven) Einkommen in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze zu berechnen ist.
Die im Jahr 2005 bei der Klägerin beschäftigte Arbeitnehmerin, die als freiwillig Versicherte Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse (BKK M.) ist und der bei Arbeitsunfähigkeit Krankengeld zusteht (Mitteilung der Klägerin vom 5.7.201 0), entband am 16.12.2005 ein Kind. Die Mutterschutzfrist begann am 8.11.2005 und endete am 14.2.2006 (SG-Akte S. 103). Die Arbeitnehmerin erzielte in den Monaten August bis Oktober 2005 bei Veranlagung nach Steuerklasse 4 folgende Einkünfte (brutto/netto; Gehaltsabrechnungen SG-Akte S. 88 ff.):
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August 2005 |
7.950,00 € |
4.113,58 € |
September 2005 |
7.950,00 € |
4.113,95 € |
Oktober 2005 |
7.950,00 € |
4.111,88 € |
In den Einkünften sind Einmalzahlungen nicht enthalten. Der Arbeitnehmeranteil zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung betrug 296,11 €.
Die Arbeitnehmerin bezog während der Mutterschutzfrist (8.11.2005 bis 14.2.2006) Mutterschaftsgeld. Außerdem zahlte ihr die Klägerin einen Zuschuss zum Mutterschaftsgeld in Höhe ihres bisherigen regelmäßigen Einkommens abzüglich des Mutterschaftsgelds von kalendertäglich 13,00 €.
Unter dem 30.6.2006 beantragte die Klägerin die Erstattung des an die Arbeitnehmerin gezahlten Zuschusses zum Mutterschaftsgeld für die Zeit vom 1.1.2006 bis 14.2.2006 in Höhe von 5.539,95 € gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1 AAG (Verwaltungsakte S. 117).
Mit Bescheid vom 15.11.2006 (Verwaltungsakte S. 135) setzte der Beklagte den Erstattungsbetrag auf 4.038,30 € fest; im Übrigen lehnte er den Erstattungsantrag ab. Zur Begründung führte er aus, die BKK-Arbeitgeberversicherung erstatte den Arbeitgebern gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1 AAG in Verbindung mit § 6 Nr. 1 der Satzung den nach § 14 des Mutterschutzgesetzes (MuSchG) gezahlten Zuschuss zum Mutterschaftsgeld in vollem Umfang. Für die Berechnung des erstattungsfähigen Zuschusses sei allerdings nur das jeweilige Bruttoarbeitsentgelt der Arbeitnehmerin bis zur Höhe der in der Rentenversicherung geltenden Beitragsbemessungsgrenze maßgeblich (§ 8 Abs. 3 der Satzung). Da das Bruttoarbeitsentgelt der Arbeitnehmerin über der Beitragsbemessungsgrenze gelegen habe, werde der Zuschussbetrag entsprechend gekürzt (Berechnung lt. Anlage zum Bescheid vom 15.11.2006, Verwaltungsakte S. 132; Beitragsbemessungsgrenze 2006: 5.250,00 €, fiktives monatliches Nettoeinkommen der Arbeitnehmerin: 3.082,25 €; vgl. auch SG-Akte S. 53, 56).
Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruchs trug die Klägerin vor, für die Zuschussberechnung sei das Bruttoarbeitsentgelt der Arbeitnehmerin in voller Höhe anzusetzen. Die auf die Beitragsbemessun...