Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Satzungsregelung. Beschränkung des Ausgleichs der Arbeitgeberaufwendungen bei Mutterschaft. Verstoß gegen höherrangiges Recht

 

Orientierungssatz

Die Satzungsregelung einer Krankenkasse verstößt gegen höherrangiges Recht, wenn sie im Rahmen des Ausgleichs der Arbeitgeberaufwendungen bei Mutterschaft (hier Zuschuss zum Mutterschaftsgeld) die Berechnung der Erstattungsleistungen nach einem fiktiven Nettoarbeitsentgelt bis zur Höhe der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung bei höherem Einkommen vorschreibt und daraufhin entsprechende Kürzungen durch den Krankenversicherungsträger vorgenommen werden.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 13.12.2011; Aktenzeichen B 1 KR 7/11 R)

 

Tenor

I. Der Bescheid vom 16.11 .2007 in der Fassung des Bescheids vom 18.2.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.6.2008 wird abgeändert und der Beklagte wird verurteilt, den Differenzbetrag in Höhe von 3.622,05 € zu erstatten.

II. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III. Die Revision zum Bundessozialgericht unter Übergehung der Berufungsinstanz wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Zuschuss zum Mutterschaftsgeld der Arbeitnehmerin Frau C. W. (im Folgenden: Arbeitnehmerin), den der Beklagte der Klägerin gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes über den Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung (Aufwendungsausgleichgesetz, AAG) erstatten muss, nach dem (realen), über der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung liegenden Einkommen der Arbeitnehmerin oder (höchstens) nach einem (fiktiven) Einkommen in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze zu berechnen ist.

Die für die privat kranken- und pflegeversicherte Arbeitnehmerin als Einzugsstelle für die Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung zuständige Hypo - Vereinsbank BKK hat die Zuständigkeit gemäß § 8 Abs. 2 AAG auf den Beklagten übertragen.

Die im Jahr 2007 bei der Klägerin beschäftigte Arbeitnehmerin entband am 8.5.2007 ein Kind. Die Mutterschutzfrist begann am 29.3.2007 und endete am 5.7.2007.

Die Arbeitnehmerin bezog während der Mutterschutzfrist Mutterschaftsgeld (13,00 € kalendertäglich). Außerdem zahlte ihr die Klägerin einen Zuschuss zum Mutterschaftsgeld in Höhe ihres bisherigen regelmäßigen Einkommens (abzüglich des Mutterschaftsgelds) von kalendertäglich 145,74 €. Die Klägerin berechnete den Zuschuss zum Mutterschaftsgeld auf der Grundlage eines monatlichen Nettogehalts der Arbeitnehmerin von 4.762,09 €.

Am 22.10.2007 beantragte die Klägerin die Erstattung des an die Arbeitnehmerin gezahlten Zuschusses zum Mutterschaftsgeld für die Zeit vom 29.3.2007 bis 5.7.2007 in Höhe von 14.124,04 € gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1 AAG.

Mit Bescheid vom 16.11.2007 setzte der Beklagte den Erstattungsbetrag auf 9.525,78 € fest; im Übrigen lehnte er den Erstattungsantrag ab. Zur Begründung führte er aus, die BKK-Arbeitgeberversicherung erstatte den Arbeitgebern gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1 AAG in Verbindung mit § 6 Nr. 1 der Satzung den nach § 14 des Mutterschutzgesetzes (MuSchG) gezahlten Zuschuss zum Mutterschaftsgeld in vollem Umfang. Für die Berechnung des erstattungsfähigen Zuschusses sei allerdings nur das jeweilige Bruttoarbeitsentgelt der Arbeitnehmerin bis zur Höhe der in der Rentenversicherung geltenden Beitragsbemessungsgrenze maßgeblich (§ 8 Abs. 3 der Satzung). Da das Bruttoarbeitsentgelt der Arbeitnehmerin über der Beitragsbemessungsgrenze gelegen habe, werde der Zuschussbetrag entsprechend gekürzt. Die Beitragsbemessungsgrenze lag im maßgeblichen Zeitraum bei 5.250 €.

Gegen den Bescheid legte die Klägerin am 30.11 .2007 Widerspruch mit der Begründung ein, dass die beschränkende Satzungsregelung (§ 8 Abs. 3 der Satzung) nicht mit geltendem Recht vereinbar sei. Die maßgeblichen Bestimmungen des AAG würden eine derartige Begrenzung nicht vorsehen.

Mit Teilabhilfebescheid vom 18.2.2008 erhöhte der Beklagte den Erstattungsbetrag um 262,35 € - wohl aufgrund eines vorangegangen Rechenfehlers - und lehnte den Antrag weiterhin im Übrigen ab. Die Klägerin hielt ihren Widerspruch aufrecht, so dass der Beklagte am 12.6.2008 einen Widerspruchsbescheid erließ. Die Satzungsbestimmung (8 Abs. 3), wonach der Berechnung des Mutterschaftsgeldzuschusses ein fiktives Nettoarbeitsentgelt in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze BBG-RV West zugrunde zu legen sei, sei zulässig. Er wies auf die seiner Ansicht nach einschlägigen Ermächtigung des § 9 Abs. 2 AAG zum Erlass der hier maßgeblichen Satzungsbestimmung hin. Die Norm enthalte keine abschließende Aufzählung der in einer Satzung möglichen Regelungsgegenstände; die Satzungsbestimmung sei daher mit höherrangigem Recht vereinbar. Die Begrenzung der Erstattung in ihrer Höhe trage dem Äquivalenzprinzip Rechnung, da die Umlagebeträge deutlich niedriger seien als die Erstattungsbeträge ohne eine solche Begrenzung. Arbeitgeber, die keine Arbeitnehmer mit einem Arbeitsentgelt über der Beitragsbemessungsgrenze beschäftigten, würden an...

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