Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. Notarzt im Rettungsdienst Baden-Württemberg. Nebentätigkeit eines Krankenhausarztes. Vertrag über freie Mitarbeit. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit. Unternehmen, das aufgrund vertraglicher Verpflichtung gegenüber Krankenhäusern den Rettungsdienstorganisationen Notärzte für Rettungsdienst zur Verfügung stellt, betreibt keine erlaubnispflichtige Arbeitnehmerüberlassung im Sinne des AÜG
Leitsatz (amtlich)
Ein Notarzt ist im Geltungsbereichs des Rettungsdienstgesetzes Baden-Württemberg während seiner Bereitschafts- und Einsatztätigkeit in den Betrieb der Rettungsdienstorganisation eingegliedert. Ein Unternehmen, das aufgrund vertraglicher Verpflichtung gegenüber Krankenhäusern den Rettungsdienstorganisationen Notärzte für den Rettungsdienst zur Verfügung stellt, betreibt Arbeitnehmerüberlassung, die keiner Erlaubnis nach dem Gesetz zur Regelung der Arbeitnehmerüberlassung bedarf.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 15.05.2018 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird endgültig auf 5.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist der versicherungsrechtliche Status der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) bei der Klägerin streitig.
Die Klägerin ist ein im Jahr 2005 in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung gegründetes Unternehmen, das in den Bereichen Notfallmedizin, Katastrophenmedizin und Krisenmanagement bundesweit Dienstleistungen anbietet. Das Unternehmen betätigt sich im Bereich Lehre, Forschung, Beratung, leistet mit einem eigenen Team von Notärzten die notfallmedizinische Betreuung bei Großveranstaltungen und besetzt für viele Krankenhäuser, Kliniken und Rettungsdienste Notarztdienste. Sie ist seit Mai 2020 im Besitz einer Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung.
Die Klägerin schloss unter dem 11.02.2014 mit dem Klinikverbund S. GmbH, der durch den Bereichsausschuss Rettungsdienst gemäß § 10 Abs. 1 des Rettungsdienstgesetzes (RDG) Baden-Württemberg zur Gestellung von Notärzten für den Rettungsdienst verpflichtet ist, einen Kooperationsvertrag (zum 01.01.2014 in Kraft getreten). Danach beauftragt der Klinikverbund die Klägerin mit der Durchführung von Diensten im Rahmen des Notarzteinsatzes u.a. am Standort A. (§ 1 Abs. 2 des Kooperationsvertrages). Für jeden Notarztstandort benennt der Klinikverbund gegenüber der Klägerin einen Verantwortlichen und einen Vertreter, welche jegliche Befugnisse aller notwendigen Entscheidungen innehaben, damit eine ordentliche Durchführung der Dienste gewährleistet ist (§ 2 Abs. 1 des Kooperationsvertrages). Der Klägerin werden nach § 2 Abs. 4 des Kooperationsvertrages monatlich 42 Regeldienste (festgelegte Dienste, die sich monatlich nach einem festzulegenden Schema wiederholen) und mind. 18 Bedarfsdienste (zusätzliche Dienste, welche seitens des Klinikverbundes jederzeit gegenüber der Klägerin angefragt werden können) übertragen. Die Bekleidung für die ärztlichen Mitarbeiter der Klägerin wird durch die Klägerin gestellt (§ 3 Abs. 1 Satz 1 des Kooperationsvertrages). Die Räumlichkeiten, die an den einzelnen Standorten des Klinikverbundes durch Mitarbeiter der jeweiligen Krankenhäuser für die Zeit der Dienste genutzt werden, dürfen in gleicher Weise auch von Mitarbeitern der Klägerin im Rahmen der rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten und unter Berücksichtigung der einschlägigen Benutzungsordnung genutzt werden (§ 3 Abs. 2 des Kooperationsvertrages). Die Klägerin stellt den Krankenhausträgergesellschaften des Verbundes nach § 4 Abs. 1 des Kooperationsvertrages monatlich die geleisteten Dienste in Rechnung (2014 in Höhe von 61,68 € pro Stunde). Einen entsprechenden Kooperationsvertrag schloss die Klägerin mit der H. Klinik R. GmbH, die gemäß § 10 Abs. 1 RDG zur Gestellung von Notärzten für den Notarztstandort S. verpflichtet ist (Kooperationsvertrag vom 22.07./24.07.2013). Hinsichtlich der Dienstzeiten ist darüber hinaus in § 2 Abs. 8 des Kooperationsvertrages vereinbart, dass die Dienstzeiten bei der Dienstübertragung verbindlich vereinbart werden. Die Räumlichkeiten werden durch das Deutsche Rote Kreuz Kreisverband R. e.V. gestellt (§ 3 Abs. 2 des Kooperationsvertrages). Die Vergütungshöhe bemisst sich nach geleisteten Dienststunden (§ 4 des Kooperationsvertrages; 53,25 € im ersten Vertragsjahr). Hinsichtlich des genauen Wortlautes der Verträge wird auf Bl. 76 bis 86 der Gerichtsakte Bezug genommen. Zwischen der Klägerin und den jeweiligen Trägern des Rettungsdienstes bestehen keine Vertragsbeziehungen.
Der im Jahr 1976 geborene Beigeladene zu 1), Facharzt für Anästhesiologie, ist als Arzt im O. Klinikum L. in Vollzeit versicherungspflichtig beschäftigt. Für seine Tätigkeit im K...