Entscheidungsstichwort (Thema)
Künstlersozialversicherung. Künstlersozialabgabepflicht. Werbefotografie. künstlerische Tätigkeit
Leitsatz (amtlich)
Werbefotografie stellt entgegen der Auffassung des SG Reutlingen (Urteil vom 19.3.2009 - S 14 R 2992/08) eine künstlerische Tätigkeit iS des § 2 Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) dar.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 19. März 2009 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten beider Instanzen.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert wird auf 4.484,70 € festgesetzt.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob Honorare für selbständige Werbefotografen der Künstlersozialabgabe (KSA) nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) unterliegen.
Die Klägerin ist eine mit Gesellschaftsvertrag vom 22. Juni 1974, zuletzt geändert durch Beschluss vom 22. Dezember 2003, errichtete Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), die unter der Nummer HRB ... im Handelsregister B des Amtsgerichts Stuttgart eingetragen ist. Gegenstand des Unternehmens ist laut Handelsregistereintragung die Herstellung und Vermittlung von Produkten der Druckvorstufe, wie Satz, Illustration, Gestaltung, Bildbearbeitung, Retusche, sowie die Vermittlung von Drucksachen für Kunden. In den Jahren 2004, 2005 und 2006 erteilte sie dem Fotografenmeister L. (nachfolgend L) und der Fotografin P.-W. (nachfolgend P) Aufträge für Werbefotografien. L und P sind selbständig tätig, unterfallen aber nicht der Künstlersozialversicherungspflicht. L ist Handwerksmeister und sein Betrieb ist in der Handwerksrolle eingetragen.
Im Rahmen der Prüfung der Abgabepflicht und der Höhe der Abgabe nach dem KSVG gab die Klägerin in dem Erhebungsbogen am 10. Februar 2008 an, sie betreibe Werbung oder Öffentlichkeitsarbeit für Dritte und habe seit dem Jahr 2004 gegen Entgelt Leistungen von selbständigen Werbefotografen - dabei handelte es sich um P und L - in Anspruch genommen (im Jahr 2004 € 4.207,--, 2005 € 28.700,--, 2006 € 47.600,-- und 2007 € 41.800,--).
Mit Bescheid vom 18. März 2008 stellte die Beklagte daraufhin für den Prüfzeitraum vom 01. Januar 2002 bis 31. Dezember 2006 fest, dass die Klägerin der Abgabepflicht nach dem KSVG unterliege und die sich daraus für die Jahre 2004, 2005 und 2006 ergebende KSA insgesamt 4.484,70 € betrage. Zur Begründung führte sie aus, aus dem zurückgesandten Erhebungsbogen ergebe sich, dass die Klägerin mit ihrem Unternehmen nicht nur gelegentlich selbständige Künstler/Publizisten beauftrage, um für sie künstlerische oder publizistische Werke oder Leistungen zu erbringen. Mit dieser Nutzung sei auch der Wille verbunden, Einnahmen zu erzielen.
Mit ihrem dagegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin im Wesentlichen geltend, die von den Fotografen erstellten Aufnahmen seien nicht künstlerisch, da genaue Kundenvorgaben, wie sie zB von der Firma A. gemacht würden, zu beachten gewesen seien. Außerdem würden die Rechnungen der Fotografen auch technische Leistungen und Personalkosten beinhalten.
Nach vorheriger Anhörung wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 30. Juli 2008 zurück. Zur Begründung führte sie ergänzend aus, die Werbefotografie sei eine künstlerische Tätigkeit, ohne dass es darauf ankäme, ob dem Werbefotografen im Einzelfall ein kunsttypischer eigenschöpferischer Gestaltungsspielraum zur Verfügung stehe, ob die Fotografien tatsächlich eine künstlerische Qualität besäßen oder ob zumindest der Fotograf im Einzelfall für sich einen künstlerischen Anspruch erhebe. Denn die Berufsgattung der Werbefotografie werde vom Gesetzgeber pauschal dem Bereich der bildenden Kunst zugeordnet. Allein der bei der Erstellung einer Fotografie bestimmte Zweck, der Werbung zu dienen, bewirke, dass der Fotograf sich nicht auf eine bloße naturgetreue Ablichtung eines Bildobjekts beschränken dürfe, sondern bemüht sein müsse, dieses Objekt nach den Vorstellungen seines Auftraggebers möglichst vorteilhaft ins Bild zu setzen. Die Einbeziehung der werbungbetreibenden Unternehmen in den Kreis der Kunstverwerter lasse darauf schließen, dass gerade die von diesen typischerweise herangezogenen “kreativen„ Selbständigen zu dem Personenkreis zählten, der im Gesetz mit “bildende Kunst Schaffenden„ bezeichnet worden sei. Dieser Kreis umfasse auch alle anderen Personen, die zum Gelingen eines Werbeauftrags eigenverantwortlich und nicht unerheblich beitrügen. Zu den abgabepflichtigen Leistungen gehöre alles Entgelt, was der zur Abgabe verpflichtete aufwende, um das Werk oder die Leistung zu erhalten oder zu nutzen. Damit würden auch die erwähnten Nebenkosten erfasst.
Mit ihrer dagegen am 20. August 2008 beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, weder L noch P seien Künstler, denn der Künstlerbericht aus dem Jahre 1975 sei veraltet. Der Werbefotograf habe vielmehr eine handwerkliche Prägung. Er sei nic...