Leitsatz (amtlich)
Ein Anspruch auf Kostenerstattung für das Vorverfahren nach § 63 SGB X besteht nicht, wenn ein auf eine unzureichende Begründung des Rentenbescheids gestützter Widerspruch nach erfolgter Heilung des Begründungsmangels ohne sachlich-inhaltlichen Angriff fortgeführt und der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen wird, weil der Rentenbescheid in der Sache nicht zu beanstanden ist (Anschluss an BSG 06.07.2022, B 5 R 21/21 R, in juris).
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 03.11.2020 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten steht die Kostenerstattung in einem Widerspruchsverfahren im Streit.
Dem 1956 geborenen Kläger wurde mit Rentenbescheid vom 28.02.2020 (S. 5 ff. VA) auf seinen Antrag vom 21.01.2020 hin eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte ab dem 01.05.2020 in Höhe eines monatlichen Zahlbetrags von 2.350,63 € (netto) bewilligt. Der Bescheid enthielt die Anlagen „Berechnung der Rente“, „Versicherungsverlauf“, „Berechnung der persönlichen Entgeltpunkte“ und „Rente und Hinzuverdienst“. In der Anlage „Berechnung der persönlichen Entgeltpunkte“ wurden allgemeine Erläuterungen zur Ermittlung der Entgeltpunkte gemacht und die Summe der berücksichtigten Entgeltpunkte nebst Zugangsfaktor angegeben. Zudem enthielt der Bescheid den Hinweis, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Auskunfts- und Beratungsstellen der Deutschen Rentenversicherung, der örtlichen Versicherungsämter und Gemeindeverwaltungen sowie die Versichertenberaterinnen und Versichertenberater für weitere Auskünfte oder Erläuterungen kostenlos zur Verfügung stünden und Anschriften sowie weitere Informationen im Internet unter www.deutsche-rentenversicherung.de abgerufen werden könnten.
Den hiergegen erhobenen Widerspruch begründete der Kläger - dieser wurde während des gesamten Verfahrens durch seinen Prozessbevollmächtigten vertreten - damit, dass der Rentenbescheid inhaltlich zu unbestimmt und unzureichend begründet worden sei, da die ihm übersandten Anlagen zwar eine Übersicht der ermittelten Entgeltpunkte enthalte, jedoch nicht nachvollziehbar sei, wie sich diese ergäben. Es fehlten beispielsweise die Berechnungsanlagen „Entgeltpunkte für Beitragszeiten“, „Entgeltpunkte für beitragsgeminderte Zeiten“ und „Entgeltpunkte für beitragsfreie Zeiten“. Die Beklagte habe die Kosten für das Verfahren nach § 63 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zu erstatten.
Nach Zusendung weiterer Berechnungsanlagen („Entgeltpunkte für Beitragszeiten“ und „Entgeltpunkte für beitragsfreie und beitragsgeminderte Zeiten“, S. 139 ff. VA) durch die Beklagte (Schreiben vom 14.04.2020, S. 128 VA) bestätigte der Kläger mit Schreiben vom 22.04.2020 (S. 129 VA), die Rentenhöhe nunmehr genau nachvollziehen zu können und schlug der Beklagten vor, das Schreiben vom 14.04.2020 als Abhilfe im Widerspruchsverfahren anzusehen und - wenn die Beklagte sich dem anschließe - ihm eine Kostengrundentscheidung zuzusenden. Die Beklagte wies den Widerspruch daraufhin mit Widerspruchsbescheid vom 08.07.2020 zurück. Der angefochtene Rentenbescheid sei rechtmäßig, insbesondere auch hinreichend begründet. Die ihm beigefügten Anlagen („Berechnung der Rente“, „Versicherungsverlauf“, „Berechnung der persönlichen Entgeltpunkte“ und „Rente und Hinzuverdienst“) enthielten die im Sinne der Begründungspflicht wesentlichen Gründe für die Entscheidung über die Rentenhöhe, weshalb der Ausgangsbescheid den Anforderungen an die Begründungspflicht genüge. Das Schreiben vom 14.04.2020, mit dem lediglich die gewünschten weiteren Anlagen übersandt worden seien, sei daher nicht als „Abhilfe“ zu werten, da der Rentenbescheid nicht zu beanstanden sei. Eine Kostenerstattung lehnte die Beklagte zugleich ab.
Hiergegen hat der Kläger am 23.07.2020 mit dem Begehren, die Beklagte unter Abänderung des Widerspruchsbescheids vom 08.07.2020 zu verpflichten, seine zur Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen für das Widerspruchsverfahren gegen den Rentenbescheid vom 28.02.2020 dem Grunde nach zu erstatten, Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Es sei irrelevant, dass der Widerspruch nicht erfolgreich gewesen sei. Maßgeblich sei vielmehr, dass dem Bescheid vom 28.02.2020 wesentliche Berechnungsanlagen, die für eine genaue Überprüfung des Bescheids notwendig gewesen seien, nicht beigefügt gewesen seien. Über die Bewertung von rentenrechtlichen Zeiten werde bekanntlich erst im Rentenverfahren verbindlich entschieden. Ohne vollständige Berechnungsanlagen sei eine Überprüfung dieser Bewertung jedoch nicht möglich. Der Rentenbescheid sei daher mangelhaft begründet gewesen. Dies löse nach § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB X eine Kostenerstattungspflicht der Beklagten aus.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG die Beklagte mit Gerichtsbescheid vom 03.11.2020 unter Abänderung des Widerspruchsbescheids vom 08.07.2020 verpflichtet, die zur Recht...