Entscheidungsstichwort (Thema)
Für den Umfang der Heranziehung zum Notfalldienst ist nicht die Zahl der Betriebsstätten maßgebend, sondern der Umfang des Versorgungsauftrags. Vertragszahnarzt. Zweigpraxis. Teilnahme am Notfalldienst nur im Umfang der Summe der Versorgungsaufträge
Leitsatz (amtlich)
Eine zahnärztliche Gemeinschaftspraxis, die ihre Versorgungsaufträge an mehreren Orten (Hauptpraxis mit Zweigpraxen) wahrnimmt, darf insgesamt nur im Umfang der Summe ihrer Versorgungsaufträge zum zahnärztlichen Notfalldienst herangezogen werden.
Tenor
Auf die Berufung der Kläger werden das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 21.06.2012 und der Bescheid der Bezirkszahnärztekammer St. vom 20.09.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids der Beklagten vom 17.01.2011 aufgehoben.
Die Beklagte wird verpflichtet, die Kläger bezüglich ihrer Zweigpraxis in K. nicht zusätzlich zum zahnärztlichen Notfalldienst heranzuziehen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Der Streitwert wird auf 15.000 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Kläger und die Beklagte streiten über den Umfang der Heranziehung der Kläger zum zahnärztlichen Notfalldienst für ihre Zweigpraxis in K..
Die Kläger sind zur vertragszahnärztlichen Versorgung in Ö. zugelassen und bilden dort zusammen mit einem weiteren Kollegen, Dr. A. W., eine Berufsausübungsgemeinschaft.
Darüber hinaus betreiben sie im etwa 16 km (ca. 20 Autominuten) entfernten K. eine Zweigpraxis gemäß § 24 Abs. 3 der Zulassungsverordnung für Vertragszahnärzte (Zahnärzte-ZV). Die Beklagte hatte die entsprechende Genehmigung für die Praxis am 09.05.2007 (vgl. Bl. 77 SG-Akte) mit der Auflage erteilt, dass die vertragszahnärztliche Tätigkeit am Stammsitz in Ö. zu 2/3 der jeweiligen bisherigen Sprechzeiten aufrechtzuerhalten sei, um sicherzustellen, dass die ordnungsgemäße Versorgung am Ort des Vertragszahnarztsitzes in Ö. nicht beeinträchtigt werde.
Ö. und K. liegen innerhalb eines Notfalldienstbereichs (H.). Der eingeteilte Arzt übernimmt am Ort seiner Praxis den Notfalldienst für den ganzen Notfalldienstbereich. Je nach Lage der Praxis müssen Patienten z. B. von Ö. nach K. oder von K. nach Ö. fahren. Bei der Einteilung zum Notfalldienst werden die Kläger sowohl wegen des Vertragszahnarztsitzes in Ö. als auch wegen der Zweigpraxis in K. vollumfänglich innerhalb des für den gesamten Bezirk einheitlichen Notfalldienstes, mithin also in doppeltem Umfang, berücksichtigt. Statt als drei Zahnärzte werden sie wie sechs Zahnärzte im Turnus der Einteilung herangezogen. Dies führt dazu, dass in gleichem Umfang wie für die Hauptpraxis in Ö. (1-2 Notdienste pro Jahr) durch die Kläger auch jeweils an ein bis zwei weiteren Terminen zusätzlich Notdienst wegen der Zweigpraxis in K. zu leisten ist.
Mit E-Mail vom 11.08.2010 an den Leiter der Bezirksdirektion der Kassenzahnärztlichen Bezirksvereinigung beantragte Dr. J. die teilweise Befreiung von dem auf die Zweigpraxis entfallenden Notfalldienst mit dem Ziel, dass jeder der Kläger nur mit einem Faktor von 0,33 am zahnärztlichen Notfalldienst teilnehmen müsse.
Diesen Antrag lehnte die Bezirkszahnärztekammer St. mit Bescheid vom 20.09.2010 ab. Gemäß § 2 Notfalldienstordnung der Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg (Abdruck auf Bl. 53 SG-Akte) sei grundsätzlich jeder Zahnarzt, der an der ambulanten zahnärztlichen Versorgung teilnehme, verpflichtet, am zahnärztlichen Notfalldienst teilzunehmen und sich hierin fortzubilden. Eine Befreiungsmöglichkeit - auch teilweise - für Zweigpraxen sei in § 10 Notfalldienstordnung der Landeszahnärztekammer nicht vorgesehen. Dies sei auch nachvollziehbar, da nach § 9 Abs. 2 der Berufsordnung der Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg die Ausübung des zahnärztlichen Berufs in weiteren Praxen oder an anderen Orten nur dann als zulässig bezeichnet werde, wenn in jedem Einzelfall die ordnungsgemäße Versorgung der Patienten sichergestellt werde. Zu dieser ordnungsgemäßen Versorgung zähle die Teilnahme am zahnärztlichen Notfalldienst am Sitz der Zweigpraxis. Selbst wenn die Residenz- und Präsenzpflicht bezogen auf die Zweigpraxis gemindert sei, verbleibe die übergreifende Pflicht, umfassend zur Verfügung zu stehen und am organisierten ärztlichen Notfalldienst teilzunehmen. Nehme ein Arzt für sich das Recht zum Betreiben mehrerer Praxen in Anspruch, folge daraus auch eine entsprechend umfangreichere Mitwirkungspflicht an der Notfallversorgung (Hinweis auf LSG NRW Beschluss vom 23.12.2009 - L 11 B 19/09 KA ER). Alles andere liefe darauf hinaus, dass Inhaber einer Zweigpraxis einerseits die pekuniären Vorteile des erweiterten Tätigkeitsbereichs in Anspruch nehmen könnten, damit verbundene Verpflichtungen indessen negierten.
Dagegen legten die Kläger am 11.10.2010 Widerspruch ein. Jeder in der Zweigniederlassung tätige Zahnarzt werde als eigenständiger Zahnarzt sowohl am Ort der Hauptniederlassung als auch an der Zweigstelle geführt, also doppelt so oft herangezogen. Die Heranziehung sämtlicher für die Zweigpraxis zugela...