Entscheidungsstichwort (Thema)
Heranziehung eines Vertragsarztes zum ärztlichen Notfalldienst auch am Ort der Zweigpraxis
Orientierungssatz
1. Übt ein Arzt seine vertragsärztliche Tätigkeit auch an weiteren Orten aus, so ist er nach § 75 Abs. 1 S. 2 SGB 5 i. V. m. § 24 Abs. 3 Ärzte-ZV zur Teilnahme am Notfalldienst auch an den weiteren Tätigkeitsorten verpflichtet.
2. Mit der Aufnahme der ärztlichen Tätigkeit an einem weiteren Ort ist zwingend die Pflicht verbunden, am jeweiligen Notdienst teilzunehmen. Nimmt ein Arzt für sich das Recht zum Betreiben mehrerer Praxen in Anspruch, so folgt hieraus zwingend auch eine entsprechend umfangreichere Mitwirkungspflicht an der Notfallversorgung.
3. Der Einteilungsfaktor am Haupt-Tätigkeitsort beträgt 1,0, an den weiteren Orten in der Regel 0,5.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 29.10.2014 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 23.02.2015 abgeändert und die Klage abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Verpflichtung des Klägers zum Notfalldienst in der Zweigpraxis.
Der Kläger ist als Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe in C im Zuständigkeitsbereich der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Westfalen-Lippe zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Am Standort S (Kreis Kleve) im Zuständigkeitsbereich der beklagten KV Nordrhein betreibt der Kläger in Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) mit dem Frauenarzt Dr. M eine Zweigpraxis.
Mit Schreiben vom 24.03.2011 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass Zweigpraxisinhaber am Zweigpraxissitz ab dem 01.07.2011 mit einer Frequenz von 50% zum ärztlichen Notfalldienst eingeteilt würden. Mit Bescheid vom 28.11.2011 erfolgte die Einteilung des Klägers zum ärztlichen Notfalldienst für die Zeit vom 01.01.2012 bis 30.06.2012 anhand des dem Bescheid beiliegenden Dienstplans der Kreisstelle Kleve unter Anordnung der sofortigen Vollziehung. Der Kläger erhob hiergegen Widerspruch und machte geltend, die Beklagte sei für den Sitz der Zweigpraxis nicht zuständig. Auch diene der organisierte ärztliche Notfalldienst nach der Präambel der Gemeinsamen Notfalldienstordnung (GNO) der Beklagten und der Ärztekammer (ÄK) Nordrhein der Sicherstellung der ärztlichen Versorgung. Eine Zweigpraxis stelle die ärztliche Versorgung hingegen nicht sicher, sondern verbessere sie nur. Die GNO sei zudem erst am 23.12.2011 in Kraft getreten und auch aus diesem Grund auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Die Teilnahme von in Zweigpraxen tätigen Ärzten sei in der GNO nicht geregelt.
Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 31.01.2012). Jeder niedergelassene Arzt sei zur Teilnahme am ärztlichen Notfalldienst verpflichtet. Dieser sei Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung. Die der BAG des Klägers und seines Partners zuerkannte Zweigpraxisgenehmigung dehne die Behandlungsmöglichkeiten auf einen weiteren Ort aus. Damit handele es sich bei dem Zweigpraxissitz um einen (weiteren) Tätigkeitsort im Sinne der GNO.
Der in gleicher Weise wie der Kläger zum ärztlichen Notfalldienst von der Beklagten am Sitz der gemeinsamen Zweigpraxis herangezogene Praxispartner Dr. M hat sich gegen diese Verpflichtung mittels einstweiligen Rechtsschutzes zur Wehr gesetzt. Das Sozialgericht (SG) Düsseldorf (Beschluss vom 01.02.2012 - S 14 K 30/12 ER -) hat den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 09.01.2012 abgelehnt. Die Beschwerde blieb erfolglos (Senat, Beschluss vom 19.03.2012 - L 11 KA 15/12 B ER -). Zur Überzeugung der Gerichte bestand kein Grund für die begehrte Anordnung, da sie den angefochtenen Bescheid für rechtmäßig erachteten.
Der Kläger hat am 28.02.2012 Klage gegen seine Verpflichtung zur Teilnahme am Notfalldienst am Sitz der Zweigpraxis erhoben und vorgetragen: Am Stammsitz sei er von der KV Westfalen-Lippe mit dem Faktor 1,0 zum Notfalldienst verpflichtet worden, am Sitz der Zweigpraxis von der Beklagten mit dem Faktor 0,5. Dennoch ergäben sich am Stammsitz in einem Halbjahr weniger Dienste - nämlich drei - als am Sitz der Zweigpraxis - nämlich vier -. Dies sei eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung und verstoße gegen Art. 3 Grundgesetz (GG). Da ihm auf Nachfrage von der Beklagten mitgeteilt worden sei, dass gegen eine (hypothetische) Schließung der Zweigpraxis unter dem Gesichtspunkt der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung keine Bedenken bestünden, sei seine Einteilung zum Notfalldienst im Zuständigkeitsbereich der Beklagten auch nicht notwendig. Das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz (VÄndG) spreche in Bezug auf die Zweigpraxis nicht von einer (weiteren) "Niederlassung", sondern von einer vertragsärztlichen Tätigkeit an "weiteren Orten". Für die Teilnahme am Notfalldienst stelle die GNO jedoch gerade auf die "Niederlassung" des Arztes ab, diese liege in seinem Fall nicht im Zuständigkeitsbereich der Beklagten, sondern am Stammsitz der BAG im Zuständigkeitsbe...