Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. keine Kostenerstattung für eine durch eine Kosmetikerin durchgeführte Epilationsbehandlung. ärztliche Behandlung. Arztvorbehalt. Verfassungsmäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Epilationsbehandlung (hier: bei einer Transsexuellen) durch eine Kosmetikerin darf nicht zu Lasten der GKV erbracht werden. Eine Kostenerstattung des Versicherten ist nicht möglich.

 

Orientierungssatz

Gegen den Arztvorbehalt in § 15 Abs 1 SGB 5 bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 8. Mai 2008 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der beklagten Krankenkasse Erstattung bzw. Übernahme der Kosten für eine Nadel bzw. Elektroepilation (Methode zur dauerhaften Entfernung von Körperhaaren) in einem Kosmetikstudio.

Die 1966 geborene Klägerin gehört nach § 8 Transsexuellengesetz (TSG) dem weiblichen Geschlecht an (rechtskräftiger Beschluss des Amtsgerichtes Heidelberg vom 20. Juni 2007, 48 UR III 15/07).

Die Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Am 27. November 2006 beantragte sie die Gewährung einer Nadelepilation in einem Kosmetikstudio zur Entfernung der Gesichtsbehaarung. Mit einer Laserepilation habe sie schlechte Erfahrungen gemacht; es sei zu schweren Verbrennungen mit Narben gekommen. Die Klägerin legte ein Attest der Fachärztin für Psychiatrie Dr. D. vor, wonach es aufgrund der starken Gesichtsbehaarung immer wieder zu psychischen Einbrüchen komme. Außerdem übermittelte sie ein Schreiben der Epilationspraxis E., F., wonach die Behandlung zunächst 120 Stunden mit je sechs Behandlungseinheiten umfasse und jede Behandlungseinheit bei 9,63 € liege.

Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 22. Januar 2007 ab und verwies die Klägerin auf die Inanspruchnahme eines Vertragsarztes. Die Klägerin könne sich an die Hautärztin Dr. H. in E. wenden.

Hiergegen erhob die Klägerin mit der Begründung Widerspruch, Dr. H. vergebe lediglich Termine von 15 Minuten. Bei einer geschätzten zeitlichen Gesamtbehandlungsdauer von 80 bis 100 Stunden und einer wöchentlichen Sitzung benötige die Behandlung acht Jahre. Dies erscheine absolut unzumutbar. Vorgelegt wurde ein Attest von Dr. H., wonach bei der für die Behandlung angesetzten Abrechnungsziffer 10340 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) nur ein Zeitrahmen von 15 Minuten möglich sei und eine länger andauernde Behandlung zusätzlich vergütet werden müsse. Ergänzend führte die Klägerin aus, bei einem ersten Epilationstermin bei Dr. H. sei es zu einer Verletzung gekommen. Von der Behandlungszeit von 15 Minuten pro Termin würden auf die eigentliche Epilation lediglich etwa fünf Minuten entfallen, so dass sich hieraus bei einem Behandlungstermin pro Woche eine Behandlungsdauer von 28,5 Jahren ergebe. Hingegen könne die Epilationsbehandlung in einem Kosmetikstudio in wesentlich kürzerer Zeit durchgeführt werden. Die Behandlung in einem Kosmetikstudio sei von zahlreichen anderen Kassen im Rahmen von Einzelfallentscheidungen übernommen worden.

Die Beklagte holte daraufhin mehrere gutachtliche Stellungnahmen beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) ein. Dr. E., MDK, wies darauf hin, dass die Durchführung einer Nadelepilation bei Transsexualität nur dann in Betracht komme, wenn zuvor eine zweijährige Hormonbehandlung erfolglos geblieben sei. Dr. H., MDK, führte aus, die Nadelepilation könne grundsätzlich als Kassenleistung erbracht und abgerechnet werden. Die Dauer der Epilation sei u.a. abhängig von der Haardichte, der Erfahrung des Behandlers, der Empfindlichkeit des Patienten und einem möglichen Nachwachsen der Haare. Zur Entfernung der Gesichtsbehaarung bei einer Mann-zu-Frau-Transsexuellen müsse erfahrungsgemäß mit etwa 80 bis 120 Behandlungsstunden gerechnet werden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 24. Juli 2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Epilationsbehandlung stelle zwar eine ärztliche Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung dar. Kosmetikerinnen seien aber nicht berechtigt, im Bereich der vertragsärztlichen Versorgung Leistungen zu erbringen. Der Klägerin sei es auch unter Berücksichtigung der bei der Behandlung durch Frau Dr. H. erlittenen Verletzung zumutbar, die entsprechende Behandlung ausschließlich durch Vertragsärzte durchführen zu lassen.

Die Klägerin hat hiergegen am 9. August 2007 Klage bei dem Sozialgericht Mannheim (SG) mit dem Begehren erhoben, die Kosten für die in der Epilationspraxis E. durchzuführende Epilationsbehandlung zu übernehmen. Zur Begründung hat sie erneut vorgetragen, dass ihr die Durchführung der Epilationsbehandlung im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung aufgrund der erlittenen Verletzung und der vorhersehbaren Dauer unzumutbar sei. Dr. H. sei gar nicht dafür ausgestattet, um mit den wegen der empfindlichen Haut der Klägerin notwendigen verschiedenen Epilationsarten zu arbeiten. Die ...

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