Entscheidungsstichwort (Thema)
Private Pflegeversicherung. Ersatzpflege. Reisefreizeit. Kostenbegrenzung. Kalendertag
Leitsatz (amtlich)
1. Ersatzpflege kann auch im Rahmen einer Reisefreizeit geleistet werden.
2. Eine Begrenzung der berücksichtigungsfähigen Kosten auf 100 DM kalendertäglich ist weder den Versicherungsbedingungen noch dem Gesetz zu entnehmen.
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, in welcher Höhe Kosten einer Ersatzpflege zu erstatten sind.
Der am geborene Kläger hat bei der Beklagten zugunsten seiner am geborenen Tochter K einen privaten Pflegeversicherungsvertrag nach dem Tarif PVBA 20 abgeschlossen. Dieser sieht 20 vom Hundert (v.H.) der gesetzlich bestimmten und dementsprechend in die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (VB) übernommenen Leistungen der Pflegeversicherung vor, da der Kläger für seine Tochter als Beamter Beihilfe in Höhe von 80 v.H. der Aufwendungen erhält. K ist von Geburt an geistig behindert. Ihretwegen wird das Pflegegeld einer Pflegebedürftigen der Pflegestufe II gezahlt; für ihre Mutter E D, die K im wesentlichen pflegt, werden Beiträge zur Angestelltenversicherung wegen häuslicher Pflege von mehr als 21 Stunden wöchentlich geleistet.
In der Zeit vom 17. bis 27. Mai 1997 nahm K an einer vom Behindertenzentrum S e.V. im Rahmen des Familienentlastenden Services ("Fels") veranstalteten Freizeit teil. Diese bestand in einer Ferienreise. In der gleichen Zeit fuhren K Eltern mit ihrem jüngeren Sohn an den Bodensee in Urlaub. Die Kosten der Freizeit betrugen 2.298,46 DM. Die Beklagte erstattete unter dem 8. Juli 1997 nur 20 v.H. aus 1.100,-- DM, also 220,-- DM. Gestützt auf das Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung (BMAuS) vom 26. Juni 1997 verlangte der Kläger, 20 v.H. des vollen Rechnungsbetrages zu erstatten. Die Beklagte vertrat demgegenüber die Auffassung, § 39 des Elften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB XI) sei so zu verstehen, daß je Tag nur 100,-- DM berücksichtigt werden könnten; sonst habe es in dieser Bestimmung der doppelten Beschränkung der Leistung auf 28 Tage und 2.800,-- DM im Kalenderjahr nicht bedurft. In der Zeit vom 28. Dezember 1996 bis 4. Januar 1997 hatte K an einer ähnlichen Freizeit teilgenommen, deren Kosten 1.613,28 DM betrugen. Hierwegen hat der Kläger bisher für die Tage vom 1. bis 4. Januar 1997 insgesamt 80,-- DM erhalten (20 v.H. von 400,-- DM). Insoweit haben die Beteiligten die Entscheidung bis zum Abschluß dieses Rechtsstreits zurückgestellt.
Der Kläger erhob am 20. November 1997 beim Sozialgericht (SG) Stuttgart Klage mit dem Begehren, die Beklagte zur Zahlung weiterer 239,69 DM zu verurteilen, und meinte, die Versicherungsleistung sei aus dem vollen Betrag von 2.298,46 DM zu gewähren. Er verwies auf das Schreiben des BMAuS und den Umstand, daß die gesetzlichen Krankenkassen Kosten der Verhinderungspflege bis zum Betrage von 2.800,-- DM im Kalenderjahr auch dann erstatten, wenn diese für weniger als 28 Kalendertage in Anspruch genommen worden ist. Der Kläger legte u.a. in Kopie die Erstattungsmitteilung der Beklagten vom 8. Juli 1997, das Schreiben des Verbands der Privaten Krankenversicherungen e.V. vom 6. Dezember 1995 und das erwähnte Schreiben des BMAuS vor.
Die Beklagte trat der Klage unter Hinweis auf die bereits genannte doppelte Beschränkung entgegen und führte aus, daß es zu unbilligen Ergebnissen führe, wenn man § 39 SGB XI so auslege, wie es der Kläger wünsche. Sie legte weitere Unterlagen in Kopie vor.
Das SG zog vom SG Marburg einen Abdruck des rechtskräftig gewordenen Urteils vom 1. Juli 1997 - S-6/P-189/97 bei. Durch Urteil vom 29. Mai 1998, auf dessen Gründe Bezug genommen wird, hat das SG die Beklagte verurteilt, dem Kläger für die Zeit der Verhinderungspflege vom 17. bis 27. Mai 1997 einen Restbetrag von 239,69 DM zu zahlen. Das SG hat die Berufung zugelassen.
Gegen das ihren Prozeßbevollmächtigten am 1. September 1998 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil richtet sich die am 30. September 1998 schriftlich beim Landessozialgericht eingelegte Berufung der Beklagten. Sie bleibt mit ausführlicher Begründung bei ihrer Auffassung und wirft nun die Frage auf, ob bei Teilnahme an einer Freizeit überhaupt von einer Ersatzpflege im Sinne der Versicherungsbedingungen gesprochen werden könne, weil nicht die Verhinderung der Eltern, sondern die Teilnahme an der Freizeit die Kosten verursacht habe. Jedenfalls könnten nur 75 v.H. der Kosten der Freizeit als Pflegekosten berücksichtigt werden. Auf Ersuchen des Berichterstatters des Senats hat die Beklagte die Rechnungen des Behindertenzentrum S e.V. vom 13. Januar und 30. Mai 1997, die Erstattungsabrechnung vom 4. Februar 1997 und den Bedingungsteil MB/PVV 1996 vorgelegt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 29. Mai 1998 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Der Kläger, der die Klage hinsichtlich des 124,77 DM übersteig...