Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufs- bzw Erwerbsunfähigkeit. Landwirt und Waldarbeiter. Funktionseinschränkung der Gebrauchshand durch Amputationsverletzung der Finger. Verweisungstätigkeit. Pförtner an einer Nebenpforte

 

Orientierungssatz

Eine Funktionseinschränkung der Gebrauchshand (hier: durch Amputation bzw Teilamputation von drei Fingern und Versteifung eines Fingers aufgrund eines Arbeitsunfalles rund 12 Jahre vor dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben als Landwirt und Waldarbeiter) stehen einer Verweisbarkeit auf eine Tätigkeit als Pförtner an einer Nebenpforte nicht entgegen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist noch streitig, ob dem Kläger bereits ab  01.11.1994 anstelle von Rente wegen Berufsunfähigkeit Rente wegen  Erwerbsunfähigkeit zusteht.

Der 1937 geborene Kläger betrieb bis Oktober 1994 eine eigene Landwirtschaft.  Daneben war er von 1952 bis 1993 durchschnittlich halbtags (in den  Wintermonaten) als Waldarbeiter bei der Gemeinde X. beschäftigt. Seit  01.11.1994 bezieht er vorzeitiges Altersgeld von der Landwirtschaftlichen  Alterskasse W.

Am 23.06.1994 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von Rente  wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit. Unter Berücksichtigung beigezogener  ärztlicher Unterlagen (u.a. Gutachten von Dr. X. vom Februar 1994 für die  Landwirtschaftliche Alterskasse, demzufolge der Kläger noch für fähig erachtet  wurde, leichte Tätigkeiten vollschichtig zu verrichten) erstattete Dr. X. ,  Arzt für Chirurgie, ein Gutachten. Er diagnostizierte beim Kläger ein chron.  rez. Lumbalsyndrom bei deg. Veränderungen und Fehlstatik der Wirbelsäule, eine  Spondylose und Uncovertebralarthrose in Höhe C5/C7, mittelgr. C3/C4, eine  ausgeprägte Spondylose in Höhe D6 - D12, eine massive Osteochondrose und  Spondylose in Höhe D9 - D10, eine Coxarthrose bds. und eine eingeschränkte  Funktionsfähigkeit der re. Hand bei Z.n. Fingergrundgliedamputation des  Mittel- und Ringfingers, Mittelgliedamputation des 2. Fingers und  Beugekontraktur des 5. Fingers (traumatische Quetschung re. Hand 1982 -  Arbeitsunfall) sowie eine Adipositas und vertrat die Auffassung, der Kläger  sei in seiner beruflichen Tätigkeit als Landwirt und Waldarbeiter auf Dauer  nur noch unter zweistündig leistungsfähig, könne jedoch leichte Männerarbeiten  zu ebener Erde, überwiegend im Sitzen, ohne schweres Heben und Tragen von  Lasten, ohne überwiegend einseitige Körperhaltung, ohne häufiges Bücken, ohne  Feinarbeiten mit der rechten Hand sowie ohne Belastung durch Zugluft und/oder  Nässe noch vollschichtig verrichten. Nachdem die Landwirtschaftliche  Alterskasse der Beklagten mitgeteilt hatte, der Kläger habe seinen  landwirtschaftlichen Betrieb zum 01.10.1994 vollständig an seinen Sohn  abgegeben, legte der Kläger den Hofpachtvertrag mit Pachtbeginn 01.07.1994  vor.

Mit Bescheid vom 09.01.1995 lehnte die Beklagte den Antrag ab, weil die  versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien und auch weder  Berufsunfähigkeit noch Erwerbsunfähigkeit bestehe. Im nachfolgenden  Widerspruchsverfahren teilte das Arbeitsamt R. der Beklagten mit, dem Kläger  sei vom 11.11.1993 bis 31.10.1994 Arbeitslosengeld nachgezahlt worden. Die  Beklagte zog die Akten der Landwirtschaftlichen Alterskasse bei, holte einen  Befundbericht des Internisten Dr. X. ein, der seine Befundunterlagen beifügte,  und veranlaßte eine erneute Begutachtung und Untersuchung des Klägers durch  Dr. X. Dieser führte aus, seit der letzten Untersuchung sei es zu keiner  Verschlechterung des Leistungsvermögens gekommen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20.02.1996 wies die Beklagte den Widerspruch  zurück. Zwar seien die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt  der Rentenantragstellung erfüllt, der auf den allgemeinen Arbeitsmarkt  verweisbare Kläger könne jedoch noch vollschichtig erwerbstätig sein.

Hiergegen erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG). Zur  Begründung machte er im wesentlichen geltend, aufgrund seiner langjährigen  Berufserfahrung und der tariflichen Entlohnung sei er als Facharbeiter  anzusehen. Ungeachtet dessen sei er aber aufgrund der bei ihm vorliegenden  Gesundheitsstörungen und Leistungseinschränkungen erwerbsunfähig, da neben  einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen auch eine schwere  spezifische Leistungsbehinderung im Hinblick auf die erheblich eingeschränkte  Greiffunktion der rechten Hand gegeben sei. Die Landwirtschaftliche  Alterskasse Württemberg, die den gleichen Begriff der Erwerbsunfähigkeit  kenne, habe ihm bereits ab Hofübergabe vom 01.11.1994 an eine  Erwerbsunfähigkeitsrente bewilligt. Zur Stützung seines Begehrens legte der  Kläger eine Bescheinigung des Bürgermeisteramtes X. und eine ärztliche  Bescheinigung des Dr. X. vor.

Das SG holte eine Auskunft des Bürgermeisteramtes X. ein, derzufolge der  Kläger bei der Gemeinde alle in einem Forstbetrieb anfallenden Arbeiten  verrichtet habe und wie ein Facharbeiter entlohnt worden sei (Tarifgruppe W 3  des Tarifvertrages f...

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