Leitsatz (amtlich)
1.) Zu den Voraussetzungen der Widerlegung der gesetzlichen Vermutung des § 46 Abs. 2a SGB VI.
2.) Leidet ein Versicherter zum Zeitpunkt der Eheschließung an einer potentiell lebensbedrohlichen Erkrankung und wurde der konkrete Heiratswunsch erst nach Bekanntwerden dieser Erkrankung gefasst, spricht dies für die Richtigkeit der gesetzlichen Vermutung des § 46 Abs. 2a SGB VI.
3.) Eine medizinische nachvollziehbar begründete Hoffnung auf einen möglichen mehrjährigen Krankheitsverlauf ist nicht ausreichend, um die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsabsicht zu widerlegen. Für die Beurteilung der Beweggründe einer Heirat ist es unwesentlich, ob das Überleben des Versicherten über ein Jahr nach der Eheschließung wahrscheinlicher ist als sein Tod und ob die Eheleute von einer Ehe über ein Jahr ausgehen konnten, denn statistische Wahrscheinlichkeiten sagen hierzu nichts aus (vgl. Thüringer Landessozialgericht, Urteil vom 29. Oktober 2013 - L 6 R 1610/10 -, juris).
4.) Liegen zwischen tatsächlicher Hochzeit und früheren Heiratsplänen nahezu zwei Jahre, so kann eine konsequente Verwirklichung eines bereits vor Erlangung der Kenntnis von der lebensbedrohlichen Krankheit bestehenden Heiratsentschlusses nur dann angenommen werden, wenn nachvollziehbar dargelegt wird, weshalb die Heiratspläne nicht zu einem früheren Zeitpunkt verwirklicht werden konnten.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 26. Juli 2013 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Witwenrente aus der Versicherung des verstorbenen Ehemannes der Klägerin, Herrn A. B..
Die 1952 geborene Klägerin und Herr A. B. waren seit 2001 als Paar zusammen und lebten seit dem Jahr 2007 gemeinsam auf einem Bauernhof.
Im Juni 2011 wurde bei Herrn B. ein Bronchialkarzinom mit bestehender Metastasierung diagnostiziert (Bl. 25 der Verwaltungsakte) und in der Zeit vom 5. Juli 2011 bis 2. August 2011 erfolgte eine palliative Chemotherapie. Ausweislich eines durch Prof. C. erstellten Arztbriefes vom 4. Juli 2011 wurden Herr B. und die Klägerin ausführlich über die geplante Behandlung, deren gewünschte Effekte sowie mögliche Nebenwirkungen aufgeklärt (Bl. 31 der Verwaltungsakte).
Am XX.XX. 2011 schloss Herr B. mit der Klägerin im Standesamt D.-E. die Ehe (Bl. 161 der Verwaltungsakte).
Am XX.XX. 2011 verstarb Herr B. (Bl. 1 der Verwaltungsakte).
Die Klägerin beantragte sodann am 18. Oktober 2011 die Gewährung einer Witwenrente bei der Beklagten (Bl. 1 der Verwaltungsakte). Die Klägerin fügte diesem Antrag eine handschriftliche Stellungnahme bei, in der sie ausführt: “Wir wollten 2009 schon heiraten, dann starb aber 2 Monate vorher sein (Herrn B.s) Vater, so wurde alles nochmal verschoben und wieder und wieder. Für uns war das kein Problem, wir hatten uns auch so. Dann wurde mein Mann krank. Dies war der Zeitpunkt endlich zu heiraten. Wir wollten die letzten Jahre dann doch als Mann und Frau zusammen sein, denn wir liebten uns ja auch nach fast 13 Jahren immer noch.„ (Bl. 19 der Verwaltungsakte). Die Klägerin reichte zudem eine Bescheinigung des Allgemeinarztes Dr. F. ein, wonach zum Zeitpunkt der Eheschließung der tödliche Ausgang der Krankheit nicht vorauszusehen gewesen sei (Bl. 23 der Verwaltungsakte).
Mit Bescheid vom 8. November 2011 lehnte die Beklagte die Bewilligung einer Witwenrente mit der Begründung ab, die Klägerin habe die Vermutung des Vorliegens einer Versorgungsehe nicht widerlegt (Bl. 87 der Verwaltungsakte).
Hiergegen erhob die Klägerin am 1. Dezember 2011 Widerspruch und machte u.a. geltend, durch die Heirat habe eine rechtliche Handhabe geschaffen werden sollen, um beim weiteren Fortgang der Behandlung Informations- und Zustimmungsrechte zu haben. Es habe zudem bereits seit langer Zeit eine innere Verbundenheit und Partnerschaft bestanden, von einer für August 2009 geplanten Hochzeit sei (nur) wegen des Todes des Vaters des Herrn B. Abstand genommen worden (Bl. 117, 123 ff der Verwaltungsakte). Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens legte die Klägerin zudem ein Schreiben von Herrn G. B. (Bruder des Verstorbenen) und Frau H. B. (Schwägerin des Verstorbenen) vor. Darin wird u.a. bestätigt, dass die Klägerin und Herr B. bereits im Mai 2009 die Absicht zur Heirat gehabt hätten. Anfang Mai 2009 sei für die Hochzeit bereits ein Herren- und ein Damenanzug bei Quelle bestellt worden. Die Hochzeit sei für die 1. Augustwoche 2009 geplant gewesen. Durch den Tod des Vaters von Herrn B. bedingt, sei die Hochzeit ins Jahr 2010 verschoben worden. Dann sei Herr B. erkrankt und auf Grund der vielen Arztbesuche und der zeitaufwändigen Strahlentherapie seien die Heiratspläne immer wieder verschoben worden und erst nach abgeschlossener Strahlentherapie sei dann die Zeit zur Heirat gewesen. Zum Zeitpunkt der Heirat im Juli 2011 sei man durch die erfolgreich abgeschlossene Strahlentherapie zuversichtlic...