nicht rechtskräftig

 

Verfahrensgang

SG Konstanz (Entscheidung vom 24.07.2003; Aktenzeichen S 8 KR 2358/02)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts K. vom 24. Juli 2003 abgeändert: Die Beklagte hatte den Kläger nur bis 31.12.2003 von der Zuzahlung bei Fahrtkosten, Arznei- Verband- und Heilmitteln, Hilfsmitteln und stationären Vorsorge- und Rehabilitationsleistungen zu befreien. Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.

 

Tatbestand

Streitig ist die Befreiung des Klägers von der Zuzahlung zu den in § 61 Abs. 1 Sozialgesetzbuch 5. Buch (SGB V) in der bis 31.12.2003 gültigen Fassung genannten Kosten.

Der am 23.12.1967 geborene und bei der Beklagten pflichtversicherte Kläger bezog vom Arbeitsamt K. ab 05.07.2002 Arbeitslosengeld in Höhe von 171,64 EUR wöchentlich. Ab 01.10.2002 bis voraussichtlich 13.07.2004 wurde ihm Unterhaltsgeld zunächst in gleicher Höhe und ab 01.01.2003 in Höhe von 170,59 EUR wöchentlich bewilligt.

Den Antrag des Klägers vom 25.07.2002 auf volle Kostenübernahme bei Fahrkosten, Arznei-, Verband- und Heilmitteln sowie bei Hilfsmitteln und Kuren nach § 61 SGB V lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 29.07.2002 ab, da die maßgebenden Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt die gesetzlichen Bruttoeinkommensgrenzen überschreiten würden. Erläuternd teilte die Beklagte dem Kläger auf dessen Rückfrage mit, nach dem Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 12.03.1999 -S 4 K 142/98- seien alle gesetzlichen Krankenkassen dazu verpflichtet, bei Beziehern von Sozialleistungen nicht den Auszahlungsbetrag, sondern ein fiktives Bruttoentgelt zu berücksichtigen.

Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 04.11.2002 zurück: Damit der Kläger von der Sozialklausel berücksichtigt und von den Zuzahlungen befreit werden könne, dürften seine Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt im Jahr 2002 monatlich einen Betrag von 938,00 EUR nicht übersteigen. Bei Sozialleistungen sei der Leistungsbetrag vor Abzug gegebenenfalls daraus zu entrichtender Beiträge zu berücksichtigen (z.B. Arbeitslosengeld in Höhe des fiktiv errechneten Bruttobetrages). Die Berechnung des fiktiven Bruttolohnes solle bei Beziehern von Arbeitslosengeld einen Vergleich zu einem Arbeitnehmer herstellen, da die Bemessungsgrundlage der Sozialleistung bei der Beurteilung des Härtefalles nicht heranzuziehen sei, weil diese keine Einnahme des Versicherten darstelle, sondern lediglich der Berechnung dieser Leistung diene. Ausgehend von dem wöchentlichen Leistungssatz des Klägers von 171,64 EUR errechne sich ein fiktives "Brutto-Arbeitsentgelt" von 958,95 EUR, welches den maßgebenden Grenzbetrag von 938,00 EUR (40 % der monatlichen Bezugsgröße 2002) überschreite.

Deswegen erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht K. (SG) mit der Begründung, es entspreche anerkannter Rechtsprechung sowohl zu § 61 Abs. 1 SGB V als auch zu den früheren §§ 182a, 182c, 184a bzw. 180 RVO, dass das Arbeitslosengeld in Höhe des auszuzahlenden Betrages und nicht etwa hochgerechnet bei der Prüfung zu Grunde zu legen sei, ob eine unzumutbare Belastung im Sinne von § 61Abs. 2 Nr. 1 SGB V vorliege oder nicht. Das Bundessozialgericht sei in seinem Urteil vom 09.06.1998 -B 1 KR 22/96 R- nicht nur beiläufig, sondern selbstverständlich davon ausgegangen, dass die bezogenen Auszahlungsbeträge an Arbeitslosengeld (nicht das hochgerechnete Bemessungsentgelt) bei der einschlägigen Prüfung der Unzumutbarkeit zugrundegelegt worden sei.

Die Beklagte trat der Klage entgegen: Bei dem wöchentlichen Auszahlbetrag des Klägers handele es sich um einen "Nettobezug". Der sich daraus ergebende monatliche Auszahlbetrag könne deshalb bei der Berechnung der Bruttoeinnahmen nach § 61 Abs. 2 Nr. 1 SGB V nicht in Ansatz gebracht werden. Vielmehr sei dieser Auszahlbetrag im Rahmen der Gleichbehandlung zu einem "Bruttolohnbezieher" mit identischem Nettoeinkommen auf ein "fiktives Bruttoeinkommen" hochzurechnen.

Mit Urteil vom 24.07.2003, der Beklagten zugestellt am 31.07.2003, hob das SG den Bescheid vom 29.07.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 04.11.2002 auf und verurteilte die Beklagte, den Kläger von der Zuzahlung bei Fahrtkosten, Arznei-, Verband- und Heilmitteln, Hilfsmitteln und stationären Vorsorge- und Rehabilitationsleistungen zu befreien. In den Entscheidungsgründen führte das SG im Wesentlichen aus, für die Hochrechnung des Leistungsbetrages des Arbeitsamtes auf einen fiktiven Bruttobetrag fehle es an einer gesetzlichen Grundlage. § 14 Abs. 2 SGB IV könne weder unmittelbar noch analog im Rahmen des § 61 Abs. 2 Nr. 1 SGB V angewandt werden (Hinweis auf die Entscheidungen des LSG Nordrhein-Westfalen vom 06.02.2001 -L 5 KR 50/00- und des LSG Rheinland-Pfalz vom 07.02.2002 - L 5 KR 63/01-).

Hiergegen richtet sich die am 11.08.2003 eingelegte Berufung der Beklagten. Zur Begründung verweist sie auf ihren Sachvortrag in erster Instanz und trägt...

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