Entscheidungsstichwort (Thema)

Existenzgründungszuschuss. enger Zusammenhang zwischen Bezug von Entgeltersatzleistungen und Aufnahme der selbständigen Tätigkeit als Rechtsanwalt. Vereidigung und Zulassung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der nach § 421l Abs 1 S 2 Nr 1 SGB 3 erforderliche enge Zusammenhang zwischen dem Bezug von Entgeltersatzleistungen und der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit ist nicht mehr gegeben, wenn die Tätigkeitsaufnahme erst mehr als sieben Monate nach dem Bezug von Arbeitslosengeld erfolgt.

2. Bei der Aufnahme einer Tätigkeit als selbständiger Rechtsanwalt ist zeitlicher Bezugspunkt für die Beurteilung des Zusammenhangs zwischen dem Bezug von Entgeltersatzleistungen und der Aufnahme der Tätigkeit der Zeitpunkt der Vereidigung und Zulassung als Rechtsanwalt.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 18.09.2009; Aktenzeichen B 11 AL 78/09 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 14. Juli 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Gewährung eines Existenzgründungszuschusses (EXGZ) für eine Tätigkeit als selbständiger Rechtsanwalt.

Der am … 1976 geborene Kläger stand nach erfolgreichem Abschluss des Studiums der Rechtswissenschaften und Erwerb des ersten juristischen Staatsexamens in der Zeit vom 1. April 2002 bis 1. Oktober 2004 als Rechtsreferendar in einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis. Am 7. Oktober 2004 meldete er sich bei der Agentur für Arbeit Tübingen (AA) arbeitslos und bezog bis einschließlich 4. Oktober 2005 Arbeitslosengeld (Alg). Am 21. Oktober 2004 wurde der Kläger zu einer Gruppeninformation für Juristen am 17. November 2004 eingeladen. Gegenstand dieser Gruppeninformation waren unter anderem die Möglichkeiten der Förderung einer Existenzgründung. Der Kläger nahm an dieser Veranstaltung jedoch nicht teil. Nach Erschöpfung seines Anspruchs auf Alg beantragte der Kläger mit schriftlichem Antrag vom 25. November 2005, beim der AA eingegangen am 30. November 2005, die Gewährung eines EXGZ für eine Tätigkeit als Rechtsanwalt in Tübingen. Gleichzeitig beantragte er Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Dem Antrag war eine von Steuerberater K. (K.) gefertigte Stellungnahme zur Tragfähigkeit der Existenzgründung vom 25. November 2005 beigefügt. In dieser Stellungnahme legte K. dar, mit dem Vorhaben scheine der Aufbau einer tragfähigen Existenzgründung insgesamt realisierbar. Das Konzept umfasse die Bearbeitung eigener Mandate, die Bearbeitung von Mandaten für zwei in Metzingen und Tübingen ansässige Kanzleien und eine Tätigkeit als Terminsanwalt für zwei weitere Rechtsanwaltskanzleien; die Voraussetzungen für die erforderliche Zulassung durch die Anwaltskammer seien gegeben. Mit Bescheid vom 8. Dezember 2005 lehnte die AA den Antrag auf EXGZ ab. Zur Begründung führte die AA aus, es fehle an dem notwendigen engen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit und dem Bezug von Arbeitslosengeld.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 9. Januar 2006 Widerspruch. Er trug vor, er sei von der AA nicht ausreichend über die Möglichkeit der Beantragung eines EXGZ beraten worden. Mit Widerspruchsbescheid vom 5. Juli 2006 wies die Widerspruchsstelle der AA den Widerspruch zurück; ein Beratungsversäumnis liege nicht vor.

Mit der am 3. August 2006 beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Er habe den Antrag auf EXGZ bereits am 14. November 2005 telefonisch gestellt. Auf seinen Antrag vom 4. April 2006 sei er am 22. Mai 2006 vereidigt und als Rechtsanwalt zugelassen worden (Zulassungsurkunde der Rechtsanwaltskammer Tübingen vom 22. Mai 2006). Den Antrag auf EXGZ habe er nicht verspätet gestellt bzw. die Anspruchsvoraussetzungen nicht verspätet erfüllt. § 421 l Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) normiere entgegen der Ansicht der Beklagten keine feste zeitliche Grenze, maßgebend seien vielmehr die Umstände des Einzelfalls. Bei der Existenzgründung handele es sich nicht um einen punktuellen Vorgang, sondern um einen längeren Prozess, der hier vor allem in der Erstellung eines Businessplans und in den umfangreichen Verhandlungen mit bestehenden Anwaltskanzleien über die beabsichtigten Kooperationen zu sehen sei und bereits vor der Antragstellung begonnen habe. Außerdem habe er bereits ab Oktober 2005 begonnen, für die Rechtsanwaltskanzleien D. und Fr. Mandantengespräche zu führen, Gerichtstermine wahrzunehmen und Schriftsätze zu fertigen. Zum Nachweis hierfür hat der Kläger eine von Rechtsanwalt D. gefertigte Aufstellung vorgelegt; wegen des Inhalts dieser Aufstellung wird auf Bl. 78 bis 85 der Klageakten des SG (S 12 AL 2831/06) Bezug genommen. Mit Urteil vom 14. Juli 2008 hat das SG die Klage abgewiesen. Der erforderliche enge zeitliche Zusammenhang zwischen der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit und dem Bezug von Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III liege im Fall des...

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