Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit bei einer für einen ambulanten Pflegedienst tätigen Pflegekraft

 

Orientierungssatz

1. Ist eine für einen ambulanten Pflegedienst tätige Pflegekraft in deren betriebliche Organisation eingegliedert und den Weisungen ihres Auftraggebers unterworfen, hat sie ein unternehmerisches Risiko nicht zu tragen, erfolgt die Vergütung auf der Grundlage eines vereinbarten Stundenlohns und tritt nach außen ausschließlich der Pflegedienst als Leistungserbringer auf, so ist von dem Bestehen einer abhängigen Beschäftigung auszugehen.

2. Dem widerspricht nicht der Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung durch die Pflegekraft und deren Recht, selbst zu entscheiden, ob sie angebotene Pflegedienste übernimmt sowie der Einsatz eigener Arbeitsmittel.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 01.12.2020; Aktenzeichen B 12 KR 30/20 B)

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens, mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, für welche diese jeweils selbst aufzukommen haben.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 1.765,14 € festgesetzt.

 

Gründe

Im Streit steht ein Beitragserhebungsbescheid der Beklagten und indirekt der sozialversicherungsrechtliche Status des Beigeladenen zu 1) (nachfolgend nur noch: „der Beigeladene“) im Rahmen seiner Tätigkeit als Pflegekraft für eine Einrichtung der Klägerin in der Zeit vom 13. bis 21. August 2013, 7. bis 15. September 2013 und vom 7. bis 15. Oktober 2013.

Die Klägerin betreibt einen ambulanten Pflegedienst und erbringt Leistungen der Grund- und Behandlungspflege unter anderem in einer Sozialstation in M. Sie beschäftigt neben angestellten Pflegekräften zur Deckung von Personalengpässen auch Honorarkräfte, die tage- oder wochenweise zum Einsatz kommen.

Der Beigeladene ist examinierter Altenpfleger und bot seine Pflegedienste auch als Pflegeservice U S UG an. Er verfügte über eine Berufshaftpflichtversicherung, eigene Dienstkleidung und nutzte eigene Gerätschaften, wie Schreibgeräte, Handschuhe, ein Stethoskop und ein Blutdruckmessgerät.

Grundlage seiner Tätigkeit bei der Klägerin in M war eine Dienstleistungsvereinbarung. Schriftlich festgehalten ist darin eine Vergütung von 27,00 € pro Stunde, zuzüglich eines Zuschlages für Wochenenddienste von 4,00 € pro Stunde und für Nachtdienste von 4,00 € pro Stunde (vgl. Angebot des Beigeladenen - ohne Hinweis auf eine UG- vom 2. August 2013 und die Bestätigung der Klägerin, Kopie GA Bl. 67f).

Nachdem der Beigeladene bei der Beigeladenen zu 4) die Feststellung der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung für Selbständige beantragt hatte, empfahl diese die Durchführung eines Statusfeststellungsverfahrens nach § 7a Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) an. Sie regte dann mit Schreiben vom 4. März 2014 bei der Beklagten an, eine Statusentscheidung nach § 28h Abs. 2 SGB IV zum Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses zu treffen.

Die Beklagte hörte die Klägerin und den Beigeladenen an und setzte mit Bescheid vom 12. Dezember 2014 gegenüber der Klägerin im Wege der Schätzung nach § 28h Abs. 2 SGB IV Sozialversicherungsbeiträge für die Tätigkeit des Beigeladenen in Höhe von 2.685,07 € fest. Der Bescheid erging auch für die Beigeladene zu 2) (Pflegekasse).

Die Klägerin und der Beigeladene erhoben Widerspruch. Die Klägerin reichte Nachweise zu den Tätigkeitszeiten und zu dem Verdienst nach.

Mit Bescheid vom 21. September 2015 half die Beklagte dem Widerspruch daraufhin teilweise ab und setzte Beiträge in Höhe von (nur noch) insgesamt 1.765,14 € fest.

Sie wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 24. Februar 2016 im Übrigen zurück.

Die Klägerin hat hiergegen am 24. März 2016 Klage beim Sozialgericht Berlin (SG) erhoben.

Der Beigeladene hat mit Schriftsatz vom 18. Oktober 2016 Klage beim Sozialgericht Lübeck (Aktenzeichen S 1 KR 173/16) erhoben. Dieses Verfahren ruht.

Zur Begründung hat die Klägerin ausgeführt, nach der zwischen ihr und dem Beigeladenen abgeschlossenen Vereinbarung habe dieser weisungsfrei tätig sein können. Er habe auch für andere Auftraggeber tätig sein dürfen, hätte Aufträge ohne Angabe von Gründen ablehnen können und sei nicht verpflichtet gewesen, die Aufträge in eigener Person zu erfüllen. Er habe die Patienten nach eigenen Parametern selbst ausgewählt. Dass er nur kurzzeitig eingesetzt worden sei, um Personalengpässe aufzufangen, belege, dass er nicht in die klägerische Organisation eingebunden gewesen sei. Ferner habe er seine eigene Unternehmergesellschaft gegründet.

Der Beigeladene hat vorgetragen, er habe seine Pflegetätigkeit in einem Gebäude der Klägerin ausgeübt, in der sich u. a. eine Station mit drei Wachkomapatienten befunden habe. Er habe bei der Klägerin auf sein Bestreben hin ausschließlich Nachtwachen durchgeführt und dabei grundpflegerische Tätigkeiten übernommen sowie die medizinische Ver...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge