Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwaltliches Gebührenrecht: Angemessener Vergütungsvorschuss bei Tätigwerden als beigeordneter Rechtsanwalt im sozialrechtlichen Berufungsverfahren
Orientierungssatz
Jedenfalls dann, wenn sich die Tätigkeit eines im sozialgerichtlichen Berufungsverfahren beigeordneten Rechtsanwalts, der bereits im Verfahren erster Instanz tätig war, auf die Übersendung von Unterlagen und einer Berufungsschrift beschränkt, ist bei der Gewährung eines Vergütungsvorschusses die Zuerkennung von zunächst nur drei Vierteln der Mittelgebühr im Hinblick auf die Tätigkeit angemessen. Soweit der Anwalt bei seiner Vorschussrechnung eine Gebühr forderte, die mehr als 20 Prozent über der angemessenen Gebühr liegt, ist durch das Gericht als Vorschuss die angemessene Gebühr, ohne einen Zuschlag, festzusetzen.
Tenor
Die Erinnerung gegen den Beschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. August 2012 über den aus der Landeskasse zu zahlenden Vergütungsvorschuss wird zurückgewiesen.
Eine Kostenerstattung für das Erinnerungsverfahren findet nicht statt.
Gründe
I.
Mit der Berufung vom 9. März 2012 im Verfahren L 11 SB 44/12 begehrt die Klägerin, die neben einer Altersrente ergänzende Leistungen der Grundsicherung im Alter nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) bezieht, die Verpflichtung des Beklagten zur Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Nachteilsausgleiche “aG„, “T„ und “RF„. Mit Beschluss vom 16. Juli 2012 bewilligte das Landessozialgericht Berlin Brandenburg der Klägerin Prozesskostenhilfe mit Wirkung vom 21. März 2012 unter Beiordnung des auch bereits im erstinstanzlichen Verfahren beigeordneten Erinnerungsführers.
Mit Schriftsatz vom 29. Juli 2012 beantragte der Erinnerungsführer nach § 47 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) die Festsetzung eines Vorschusses aus der Landeskasse in Höhe von 391,70 Euro (Verfahrensgebühr Nr. 3104 VV RVG: 310,00 Euro; Kommunikationspauschale Nr. 7002 VV RVG: 20,00 Euro; Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG: 62,70 Euro).
Mit Beschluss vom 24. August 2012 setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle unter Zurückweisung des Antrags im Übrigen einen aus der Landeskasse zu zahlenden Vergütungsvorschuss in Höhe von 300,48 Euro (Verfahrensgebühr Nr. 3104 VV RVG: 232,50 Euro; Kommunikationspauschale Nr. 7002 VV RVG: 20,00 Euro; Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG: 47,98 Euro) fest und führte zur Begründung aus, die anwaltliche Tätigkeit zum Zeitpunkt der Festsetzung sei als unterdurchschnittlich einzuschätzen, da der Erinnerungsführer bisher lediglich den Berufungsschriftsatz, Prozesskostenhilfeunterlagen, Arztatteste und eine Schweigepflichtentbindungserklärung eingereicht habe mit der Folge, dass ein Betrag in Höhe von drei Vierteln der Mittelgebühr der anwaltlichen Tätigkeit im Beiordnungszeitraum angemessen sei.
Die Erinnerung ist am 3. September 2012 beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingegangen. Der Erinnerungsführer trägt zu deren Begründung vor, der Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit seien vorliegend mindestens durchschnittlich gewesen. So habe für eine sachgerechte Berufung der gesamte erstinstanzliche Akteninhalt durchgearbeitet werden müssen, der angesichts medizinischer Gutachten und verschiedener Befundberichte eine überdurchschnittliche Schwierigkeit aufweise. Die angegriffene Festsetzung berücksichtige zudem nicht, dass einem Rechtsanwalt ein Spielraum von 20 Prozent einzuräumen sei. Der Erinnerungsgegner hatte Gelegenheit zur Stellungnahme.
II.
Die Erinnerung hat keinen Erfolg.
Nach § 47 Absatz 1 Satz 1 RVG steht dem beigeordneten Rechtsanwalt ein angemessener Vorschuss für die entstandenen Gebühren und die entstandenen und voraussichtlich entstehenden Auslagen aus der Staatskasse zu; gegen einen auf einen Vorschussantrag ergehenden Kostenfestsetzungsbeschluss ist unabhängig von einer Mindestbeschwer (vgl. Hartung/Schons/Enders, 1. Auflage 2011, Rn.16 zu § 56 RVG) die Erinnerung nach § 56 Absatz 1 Satz 1 RVG möglich. Gemäß § 56 Absatz 2 Satz 1 RVG in Verbindung mit § 33 Absatz 8 Satz 1 RVG ist der Berichterstatter für die Entscheidung über die Erinnerung zuständig.
Die Festsetzung des Vorschusses durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle mit dem angegriffenen Beschluss vom 24. August 2012 ist nicht zu beanstanden. Der Erinnerungsführer hat keinen Anspruch gegen die Landeskasse auf Gewährung eines weiteren Vorschusses in Höhe von 91,22 Euro. Umstände, die einen höheren Vorschuss rechtfertigen könnten, sind weder vom Erinnerungsführer vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Der Vergütungsvorschuss kann nur für bereits entstandene Gebühren gefordert werden. Eine Mittelgebühr war zum Zeitpunkt der Entscheidungen des Urkundsbeamten und ist bis zum heutigen Tage nicht entstanden. Insoweit wird auf die Gründe des Festsetzungsbeschlusses Bezug genommen und ergänzend darauf hingewiesen, dass der Erinnerungsführer die Klägerin bereits erstinstanzlich vertreten hat...