Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe

 

Orientierungssatz

1. Wird eine darlehensweise Gewährung der Leistung vom Leistungsträger angeboten, so ist der Hilfebedürftige bei der Beurteilung der Frage, ob ein die Annahme eines Anordnungsgrundes begründender Nachteil iS des § 86b Abs 2 S 2 SGG vorliegt, zur Abwendung der Notlage vorrangig auf die Inanspruchnahme der darlehensweisen Gewährung zu verweisen.

2. Zum Vermögen iS des § 90 Abs 1 SGB 12 gehören auch Zahlungen aus Lebensversicherungen und Geldleistungen in Form von Rückkaufswerten aus Versicherungen, soweit die Vermögenswerte verwertbar sind.

3. § 165 VVG gilt nicht für eine Unfall-Prämienrückgewähr-Versicherung, in der als Leistung die Zahlung eines Kapitals vereinbart worden ist.

4. § 90 Abs 3 SGB 12 soll atypische Teilkonstellationen im Einzelfall erfassen, dh solche Umstände, die nicht schon von den Regelungen über das Schonvermögen nach § 90 Abs 2 SGB 12 erfasst werden. Die durch Verwertung des Vermögens gefährdete Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung kann dabei zwar eine Härte darstellen, da aber bereits § 90 Abs 2 SGB 12 Alterssicherungsvermögen erfasst, müssen im Rahmen des § 90 Abs 3 SGB 12 weitere Erwägungen im Einzelfall durchgreifen.

5. Ausgeschlossen von der Herausnahme der Verwertung sind Sparformen, die den Berechtigten ein frei verfügbares, rechtlich keinen inhaltlichen Bindung unterworfenes Kapital gewährleisten (vgl BVerwG vom 13.5.2004 - 5 C 3/03 = BVerwGE 121, 34), denn bei solchen Sparformen ist nicht sichergestellt, dass - auch wenn entsprechende Absichten bestehen - das verwertbare Vermögen auch tatsächlich zur Sicherung der Altersvorsorge eingesetzt wird.

6. Selbst wenn durch den Einsatz des Rückkaufswertes der Unfall-Prämienrückgewähr-Versicherung der andernfalls mögliche Aufbau eines Altersvermögens bei Ablauf des Versicherungsvertrags verhindert wird, stellt dies keinen die Annahme einer Härte iS des § 90 Abs 3 SGB 12 rechtfertigenden Umstand dar.

7. § 90 Abs 3 SGB 12 hat nicht den Zweck, einem Bedürftigen die Vermögensbildung zu ermöglichen (vgl VGH München vom 27.9.2005 - 12 BV 03.1439). Es gehört zu den allgemeinen Lebensrisiken, für andere (spätere) Zwecke zurückgelegtes Kapital vorzeitig (auch unter Inkaufnahme eines Verlusts) zur Deckung des unerwarteten Bedarfs im Rahmen des SGB 12 einzusetzen.

 

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Neuruppin vom 07. Dezember 2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.Zwischen den Beteiligten ist die Verpflichtung des Antragsgegners zur Gewährung von Leistungen zur Grundsicherung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren streitig.

Bei der 1946 geborenen Antragstellerin, bei der ein Grad der Behinderung von 50 festgestellt wurde, besteht nach einer Entscheidung des Rentenversicherungsträgers zumindest seit 14. Dezember 2004 volle Erwerbsminderung auf Dauer. Einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach § 44 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung - SGB VI a. F. - wurde mit Bescheid der Landesversicherungsanstalt Brandenburg vom 04. August 1998 mit der Begründung abgelehnt, die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen seien nicht erfüllt.

Die Antragstellerin war als Selbständige tätig. Sie bewohnt aufgrund eines gemeinsamen Mietvertrages seit dem 01. April 1997 zusammen mit Frau I G- G. -, geboren 1937, eine Zweizimmerwohnung. Mit Vertragsbeginn am 15. April 1989 unterhält die Antragstellerin eine Unfall-Prämienrückgewähr-Versicherung - UPR - bei der A. Der monatliche Beitrag einschließlich Versicherungssteuer betrug im Oktober 2004 66,02 €. Die Antragstellerin ist nach den besonderen Bedingungen für die abgeschlossene UPR berechtigt, zum Ende des jeweils laufenden Versicherungsjahres die Versicherung zu kündigen. Die Kündigung muss schriftlich erfolgen und spätestens drei Monate vor diesem Zeitpunkt dem Versicherer zugegangen sein. Im Falle der Kündigung kann die Antragstellerin die Auszahlung des Rückkaufswertes verlangen. Dieser Rückkaufswert betrug zum 28. Oktober 2004 12 641,00 € zuzüglich einer Gewinnbeteiligung von damals 3 309,00 €. Als Erlebensfallzeitpunkt (Auszahlung des Kapitals) ist der 25. April 2009 bestimmt. Aus einer mit Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg vom 16. Dezember 1985 geschiedenen Ehe wurden der Antragstellerin von dem Versicherungskonto des geschiedenen Ehemannes Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung von monatlich 302,20 DM, bezogen auf das Ende der Ehezeit am 31. Januar 1985, übertragen.

Der Antragsgegner gewährte der Antragstellerin für die Monate Januar und Februar 2005 Hilfe zum Lebensunterhalt in Höhe von 674,63 € monatlich (Bescheid vom 19. Januar 2005). Mit Bescheid vom 21. Februar 2005 wurde die gewährte Hilfe mit Wirkung ab 01. März 2005 mit der Begründung eingestellt, dass die Antragstellerin ihr Vermögen in der Form des Rückkaufswertes der Unfallversicheru...

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