Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankengeldanspruch. Übersendung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung per Brief an zentrales Postfach der Krankenkasse. Einscannen im Dienstleistungszentrum mit qualifiziertem Zeitstempel. nachfolgende handschriftliche Posteingangsbestätigung. Nachweis des rechtzeitigen Eingangs. Beweislastumkehr zu Lasten der Krankenkasse
Leitsatz (amtlich)
1. Ein qualifizierter Zeitstempel nach § 2 Nr 14 SigG (juris: SigG 2001) hat nicht denselben Beweiswert wie ein Posteingangsstempel, denn er bescheinigt nur den Zeitpunkt der elektronischen Erfassung.
2. Bleibt offen, wie die Krankenkasse das Posteingangsmanagement und Einscannen von Post, die in einem zentralen Postfach anlandet, organisiert hat, kann für den Nachweis des (rechtzeitigen) Eingangs von fristgebundenen Dokumenten und schriftlichen Tatsachenmitteilungen von Versicherten eine Umkehr der allgemeinen Beweislast des § 130 BGB eintreten.
Tenor
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/Oder vom 2. Mai 2019 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt auch die außergerichtlichen Kosten der Klägerin für das Berufungsverfahren.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin begehrt Krankengeld für den Zeitraum vom 13. Januar 2017 bis zum 19. Januar 2017.
Die Klägerin ist 1959 geboren und bei der Beklagten krankenversichert. Sie erkrankte während eines Beschäftigungsverhältnisses am 22. September 2016 arbeitsunfähig nach der Implantation einer Kniegelenkstotalendoprothese (ärztliche Folgebescheinigung vom 13. Dezember 2016 mit einer bis zum 12. Januar 2017 bescheinigten Arbeitsunfähigkeit). Eine unter dem 12. Januar 2017 ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung stellte Arbeitsunfähigkeit bis zum 9. Februar 2017 fest. Die Klägerin übersandte diese auf dem Postweg am 16. Januar 2017 an das zentrale Postfach der Beklagten in 42267 Wuppertal. Die im Postfach eingehende Post wird von der Beklagten in deren Dienstleistungszentrum (DLZ) händisch auf Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen überprüft, diese aussortiert und dem Scanvorgang (elektronische Erfassung) zugeführt. Danach wird durch die Mitarbeiter mittels ihrer Signaturkarte und persönlicher PIN-Nummer eine qualifizierte elektronische Signatur erstellt. Die Scan-Dokumente der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen weisen die elektronische Signatur vertikal am linken Rand auf. Nach Ablauf von drei Wochen wird das Original der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vernichtet.
Der Scan-Ausdruck der von der Beklagten eingescannten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung der Klägern mit Datum vom 12. Januar 2017 enthält eine Scan-ID-Nr. sowie den handschriftlichen Vermerk „Posteingang 20. Januar 2017“, gefolgt von einem Handzeichen sowie dahinter den gestempelten Namen „S M“.
Die Beklagte lehnte eine Krankengeldzahlung für die Zeit vom 13. Januar 2017 bis zum 19. Januar 2017 ab, die Überweisung erfolge dann wieder für den Zeitraum ab dem 20. Januar 2017. Die Klägerin müsse ihre weitere Arbeitsunfähigkeit der Beklagten innerhalb einer Woche melden. Die Meldung (vom 13. Dezember 2016) sei zunächst nur bis zum 12. Januar 2017 erfolgt, die weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 12. Januar 2017 habe die Beklagte hingegen erst am 20. Januar 2017 erreicht. Sie sei daher nicht innerhalb der Wochenfrist bei der Beklagten eingegangen. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18. Mai 2017 zurück.
Die Klägerin hat am 15. Juni 2017 Klage zum Sozialgericht Frankfurt/Oder erhoben. Das Sozialgericht hat die Beklagte mit seinem Urteil vom 2. Mai 2019 verurteilt, der Klägerin für den Zeitraum vom 13. Januar bis zum 19. Januar 2017 weiteres Krankengeld zu gewähren. Der Krankengeldanspruch der Klägerin sei für die streitige Zeit nicht zum Ruhen gekommen. Zwar sei nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts die Gewährung von Krankengeld bei verspäteter Meldung nach der Frist des § 49 Abs. 1 Nr. 5 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V) auch dann ausgeschlossen, wenn die Leistungsvoraussetzungen im Übrigen zweifelsfrei gegeben seien und die Versicherten keinerlei Verschulden an einem unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen Zugang der Meldung treffe. Auch eine rechtzeitig zur Post gegebene, aber auf dem Postweg verloren gegangene Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung könne den Eintritt der Ruhenswirkung selbst dann nicht verhindern, wenn die Meldung unverzüglich nachgeholt werde. Ausgehend von der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 13. Dezember 2016, welche die Arbeitsunfähigkeit bis zum 12. Januar 2017 festgestellt habe, beginne die für die nachfolgende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 12. Januar 2017 maßgebliche Meldefrist erst am 13. Januar 2017 (Freitag). Sie ende mit Ablauf des siebten Tages am 19. Januar 2017.
Die Meldung, bei der es sich um eine Obliegenheit der Versicherten handele, sei in entsprechender Anwendung von § 130 Abs. 1 und 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) erst dann erfolgt, wenn sie der Krankenkasse zugegangen sei. Dazu müs...