Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Anordnung des persönlichen Erscheinens gem § 111 SGG. unentschuldigtes Nichterscheinen. Verhängung eines Ordnungsgeldes gem § 202 SGG iVm § 141 Abs 3 S 1 ZPO. Abgrenzung zu § 380 ZPO. Ermessensentscheidung: Entschließungsermessen. Beschwerde gegen Ordnungsgeldbeschluss: selbständiges Zwischenverfahren. eigene Kostenentscheidung. Rechtsgrundlage für Erstattung außergerichtlicher Kosten
Leitsatz (amtlich)
Bleibt ein Beteiligter, dessen persönliches Erscheinen angeordnet war, dem Termin ohne rechtzeitige genügende Entschuldigung fern, so setzt die Verhängung eines Ordnungsgeldes gegen ihn voraus, dass zum einen die Anordnung des persönlichen Erscheinens unter Berücksichtigung des die Ermessensausübung leitenden Gesetzeszwecks geboten war und zum anderen die Festsetzung eines Ordnungsgeldes die gebotene Reaktion auf das Ausbleiben darstellt.
Das Beschwerdeverfahren gegen einen Ordnungsgeldbeschluss ist ein selbständiges Zwischenverfahren, das einer eigenen Kostenentscheidung bedarf (entgegen BGH vom 12.6.2007 - VI ZB 4/07 = NJW-RR 2007, 1364 und entgegen BAG vom 20.8.2007 - 3 AZB 50/05 = NJW 2008, 252). Rechtsgrundlage für die Entscheidung über die Erstattung der außergerichtlichen Kosten ist nicht § 193 SGG, sondern der Rechtsgedanke aus § 46 Abs 1 OWiG iVm § 467 StPO, mittels dessen die planwidrige Lücke in der Prozessordnung geschlossen wird (Anschluss an BFH, st Rspr, vgl Beschluss vom 7.3.2007 - X B 76/06 = BFHE 216, 500)
Tenor
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 18. Mai 2009 aufgehoben.
Die Staatskasse hat der Klägerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen außergericht-lichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I.
Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Auferlegung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 200,- €.
In der Hauptsache, einem seit Oktober 2007 anhängigen Klageverfahren gegen das Jobcenter Oberspreewald-Lausitz, ist die Aufhebung und Erstattung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) streitig. Zu einem für den 14. Mai 2009 anberaumten Er-örterungstermin wurde die Klägerin per Einwurfeinschreiben geladen; der Zusteller bestätigte mit seiner Unterschrift einen „Zustellversuch/Zustellung“ am 7. April 2009. Zum Termin er-schien die Klägerin, deren persönliches Erscheinen angeordnet worden war, nicht. Lediglich eine Vertreterin der Beklagten fand sich zu dem Termin ein. Ausweislich der Niederschrift verband der Vorsitzende drei Verfahren zur gemeinsamen Erörterung, erörterte sodann den Sachverhalt mit den Erschienenen und wies darauf hin, dass gegen die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidungen im Hinblick auf höchstrichterliche Rechtsprechung keine ernst-haften Bedenken bestünden.
Mit Beschluss vom 18. Mai 2009 hat das Sozialgericht gegen die Klägerin wegen unent-schuldigten Nichterscheinens zum Termin ein Ordnungsgeld in Höhe von 200,- € festgesetzt. Zur Begründung des Beschlusses heißt es, die ordnungsgemäß geladene Klägerin sei zum Termin nicht erschienen und habe ihr Ausbleiben nicht entschuldigt. Ihr persönliches Er-scheinen sei angeordnet worden, weil dies zum Zwecke der Erörterung der Sach- und Rechts-lage als geboten erschienen sei. Dadurch, dass sie nicht erschienen sei, habe sie dem Gericht erhebliche - nunmehr nutzlose - organisatorische Arbeit und Kosten verursacht. Außerdem verzögere ihr Verhalten das gesamte Verfahren. Unter Beachtung des möglichen Rahmens von 5,- € bis 1.000,- € sei das auferlegte Ordnungsgeld von 200,- € als angemessen anzusehen, um die Klägerin auf ihre Pflichten ausdrücklich aufmerksam zu machen.
Gegen den ihr am 20. Mai 2009 zugestellten Beschluss hat die Klägerin am 18. Juni 2009 Be-schwerde eingelegt und vorgetragen, sie habe am Terminstag ihre minderjährige Tochter Josephine, welche an diesem Tag erkrankt sei, zum Arzt bringen müssen. Im Übrigen seien die Voraussetzungen für die Verhängung eines Ordnungsgeldes nicht erfüllt, weil ihr Erscheinen zur Aufklärung des Sachverhalts nicht erforderlich gewesen sei. Das Gericht sei vielmehr schon vorher von der Aussichtslosigkeit der Klage überzeugt gewesen und habe eine Rücknahme angeregt. Ihr Ausbleiben habe daran nichts geändert, das Verfahren also auch nicht ohne Not verzögert. Schließlich sei die Höhe des festgesetzten Ordnungsgeldes unangemessen, denn sie beziehe nur ALG II und müsse ein minderjähriges Kind versorgen.
Der Beschwerdegegner ist angehört worden. Er beantragt ebenfalls, der Beschwerde stattzu-geben und den Beschluss aufzuheben.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten zu diesem Verfahren verwiesen.
II.
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss, mit welchem das Sozialgericht Cottbus gegen sie ein Ordnungsgeld in Höhe von 200,- € festgesetzt hat, ist erfolgreich.
Die Beschwerde ist gemäß §§ 172 Abs. 1 und 173 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig.
Sie ist auch begründet, denn das erst...