Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsätzliche Bedeutung einer Rechtslage bei zwischenzeitlicher Änderung der Gesetzeslage. Berücksichtigung von Betriebskostenrückzahlung als Einkommen bei Leistungen nach dem SGB II

 

Orientierungssatz

Nach Änderung der Gesetzeslage kann für Streitigkeiten, die sich auf den Zustand vor der Gesetzesänderung beziehen, nur dann noch eine grundsätzliche Bedeutung  für eine Berufung gegen eine Entscheidung des Sozialgerichts ergeben, wenn die betroffenen Rechtsfrage noch für eine erhebliche Anzahl von Fällen für die alte Rechtslage zu entscheiden ist. Dies ist für die vor dem 1. August 2006 entstandenen Fälle der Anrechnung von Betriebskostenguthaben auf den Leistungsanspruch nach dem SGB II nicht der Fall.

 

Tenor

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 11. Dezember 2006 wird zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Beschwerdegegner die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

 

Gründe

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Beklagte und Beschwerdeführerin geht zu Recht davon aus, dass sie das Urteil des Sozialgerichts nur mittels einer Nichtzulassungsbeschwerde anfechten kann. Sie ist durch dieses Urteil in Höhe von 30,00 € beschwert, denn das Sozialgericht hat auf die Klage den Bescheid vom 1. Februar 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21. August 2006, der eine teilweise Aufhebung und Erstattung des dem Kläger im Juli 2005 gewährten Arbeitslosengeldes II wegen einer während dessen ihm zugeflossenen Mietnebenkostenrückzahlung in Höhe von 43,39 € zum Regelungsgegenstand hat, abgeändert und den Erstattungsbetrag auf 13,39 € - wegen Abzugs einer so genannten Versicherungspauschale in Höhe von 30,00 € - vermindert. Wegen des damit 500,00 € nicht übersteigenden Beschwerdegegenstandes bedarf die Berufung gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG - der - hier nicht erfolgten - Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts. Die Nichtzulassung der Berufung durch das Sozialgericht kann gemäß § 145 Abs. 1 SGG mit der Beschwerde angefochten werden. Über sie entscheidet das Landessozialgericht durch Beschluss, dem im Falle der Ablehnung der Beschwerde eine kurze Begründung beigefügt werden soll (§ 145 Abs. 4 SGG).

Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil keiner der in § 144 Abs. 2 SGG genannten Zulassungsgründe vorliegt. Da ein Verfahrensmangel nicht gerügt wurde und auch nicht vorgetragen ist, dass die Voraussetzungen des § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG vorliegen, kommt nur eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache als Zulassungsgrund in Betracht. Nur dieser wird ersichtlich geltend gemacht.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache, wenn sie eine Rechtsfrage grundsätzlicher Art aufwirft, die bisher höchstrichterlich nicht geklärt ist. Eine grundsätzliche Bedeutung liegt vor, wenn das Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Rechtsprechung und Fortentwicklung des Rechts berührt ist und zu erwarten ist, dass die Entscheidung dazu führen kann, die Rechtseinheitlichkeit in ihrem Bestand zu erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern (vgl. Meyer-Ladewig, SGG 8. Auflage, § 160 Rdnr. 6 a).

Es ist bereits zweifelhaft, ob eine Berufungszulassung im Interesse einer einheitlichen Rechtsprechung geboten ist. Die Auffassung der Beschwerdeführerin und damit die streitige Rechtsfrage, die Gutschrift aus der Betriebskostenabrechnung stelle weder Einkommen noch Vermögen dar und sei in voller Höhe zu berücksichtigen, wird - nach der alten Rechtslage - nicht von der Rechtsprechung geteilt. Soweit ersichtlich haben die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit einheitlich den Zufluss von Betriebskostenguthaben vor Änderung der Rechtslage mit Wirkung vom 1. August 2006 als Einkommen im Sinne von § 11 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - SGB II - angesehen (vgl. LSG Berlin-Brandenburg L 25 B 483/06 AS ER und L 5 B 949/06 AS ER sowie Beschluss des erkennenden Senats L 19 B 303/06 AS ER). Aus dem soeben benannten Beschluss des 5. Senats ist zudem ersichtlich, dass das dort beteiligte JobCenter Berlin Tempelhof-Schöneberg das Einkommen aus Betriebskostenguthaben vor Anrechnung um eine Versicherungspauschale in Höhe von 30,00 € vermindert hatte. Dass es sich dabei nicht um eine - ggf. unrichtige - Einzelmeinung einer Arbeitsgemeinschaft nach dem SGB II handelte, wird durch die Gesetzesbegründung zur Anfügung des § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II bestätigt. In der Drucksache 16/1696 des Deutschen Bundestages, Seite 26 zu Nr. 6 Buchstabe a, heißt es: “Betriebskostenrückzahlungen werden derzeit von den Trägern der Grundsicherung als Einkommen im Rahmen der Prüfung der Hilfebedürftigkeit berücksichtigt. Diese Einkommensanrechnung führt oft zu nicht sachgerechten Ergebnissen: Zum einen müssen - wie bei jeder Einkommensart - ein Pauschbetrag für zweckmäßige Versicherungen sowie ggf. die Kosten für eine Kfz-Haftpflichtversicherung von der Rückzahlu...

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