Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende: Kosten der Unterkunft. Angemessenheit einer Wohnung bei einem Zweipersonenhaushalt. Einstufung eines fensterlosen Raumes als Zimmer. anstehende Geburt als Anordnungsgrund im Eilverfahren über die Zusicherung zum Wohnungswechsel
Orientierungssatz
1. Eine Wohnung, die neben einem weniger als 30 Quadratmeter umfassenden Wohnraum noch über eine fensterlose Kammer verfügt, stellt keine Zweizimmerwohnung dar, so dass eine aus zwei Personen bestehende Bedarfsgemeinschaft einen Anspruch auf Zusicherung der Übernahme von Umzugs- und Unterkunftskosten für den Umzug in eine Zweizimmerwohnung bzw. eine Wohnung mit einem mindestens 30 Quadratmeter großen Zimmer hat.
2. Eine unmittelbar anstehende Geburt begründet einen Anordnungsgrund im Eilverfahren über die Zusicherung zur Übernahme von Unterkunftskosten nach Umzug in eine größere Wohnung.
Tenor
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 01. November 2006 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass im Wege der einstweiligen Anordnung festgestellt wird, dass mit der - am 15. Dezember 2006 erwarteten - Geburt des Kindes der Antragsteller deren Umzug in angemessenen Wohnraum erforderlich ist.
Der Antragsgegner hat den Antragstellern ihre notwendigen Kosten auch für das Beschwerdeverfahren zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Verfahrens zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes um die Übernahme der Kosten für angemessenen Wohnraum.
Die seit Februar 2006 Leistungen zur Grundsicherung nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) beziehenden Antragsteller bewohnen zurzeit eine 54 m² große Wohnung, die nach dem Mietvertrag aus zwei Zimmern nebst Küche, Korridor, Toilette mit Bad und Balkon besteht. Am 05. September 2006 zeigte die Antragstellerin zu 2.) bei dem Antragsgegner an, dass sie schwanger sei und ihr Kind voraussichtlich am 15. Dezember 2006 geboren werde. Am 15. September 2006 stellte sie bei dem Antragsgegner einen Antrag auf Mietkostenübernahme. Die von ihr und ihrem Partner bewohnte 1,5-Zimmer-Wohnung sei für drei Personen zu klein. Die Wohnung bestehe im Wesentlichen aus einem 31,71 m² großen Zimmer, von dem vor ihrem Einzug durch Einziehen einer weiteren Wand ein fensterloser 8 m² großer Raum abgeteilt worden sei, den sie als Schlafzimmer nutzten. Die verbleibenden 23,71 m² würden als Wohnzimmer genutzt. Sie könnten eine 68,37 m² große 2,5-Zimmer-Wohnung im Bweg in B anmieten. Die Bruttowarmmiete belaufe sich auf 514,22 €.
Mit Bescheid vom 26. September 2006 lehnte der Antragsgegner die Übernahme der Miete ab. Zur Begründung führte er aus, dass die derzeit bewohnte Wohnung mit zwei Zimmern und 54 m² nicht als unzumutbar beengt anzusehen sei, für drei Personen vielmehr bei zwei Zimmern mit mindestens 50 m² ausreichend Wohnraum vorhanden sei. Hiergegen legten die Antragsteller im Oktober 2006 Widerspruch ein, den der Antragsgegner seinem Vorbringen zufolge inzwischen negativ beschieden haben dürfte.
Am 20. Oktober 2006 haben die Antragsteller beim Sozialgericht Berlin beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung "anzuhalten, ihnen den Umzug in eine passendere Wohnung zu gestatten". Zur Begründung haben sie unter Vorlage einer Wohnungsskizze ihr bisheriges Vorbringen im Wesentlichen wiederholt. Mit Beschluss vom 01. November 2006 hat das Sozialgericht Berlin den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern eine Zusicherung zur Übernahme der Miete für eine neue Wohnung mit einer Bruttomiete von maximal 542,00 € zu erteilen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass wegen der generellen, rechtsfehlerhaften Ablehnung einer Zusicherung ein Rechtsschutzbedürfnis für die Feststellung einer im Ergebnis abstrakten Zusicherungsverpflichtung nach § 22 Abs. 2 Satz 2 SGB II im Rahmen des in Berlin geltenden Angemessenheits-Richtwertes von 542,00 € für einen 3-Personen-Haushalt gegeben sei. Die Angemessenheit einer Wohnung sei nach mehreren Faktoren zu beurteilen. Neben der reinen Wohnfläche sei auch der Zuschnitt der Wohnung, gemessen an den individuellen Wohnbedürfnissen der Leistungsberechtigten, von Bedeutung. Lebten Kinder in der Wohnung oder stehe dies unmittelbar bevor, sei deren Bedürfnissen besondere Beachtung zu schenken. Der Wertungsgedanke des früheren § 12 Abs. 2 des Bundessozialhilfegesetzes, der in § 16 des Zwölften Buches des Sozialgesetzbuches (Familiengerechte Leistungen) Eingang gefunden habe, sei im SGB II im Rahmen der Angemessenheitsprüfung zu berücksichtigen. Die Auffassung des Antragsgegners, ein Neugeborenes habe zunächst einen "Null-Wohnbedarf", verletze den Grundsatz der familiengerechten Hilfe. Da die Antragsteller nicht über eine 2-Zimmer-Wohnung, sondern nur über einen angemessenen Wohnraum verfügten, dem ein recht kleines, fensterloses Behelfszimmer angegliedert sei, sei vorliegend der Mindest-Unterkunftsbedarf für ein Paar mit Kind nicht gewährleistet, sodass d...