Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch des Hilfebedürftigen auf Zusicherung der Übernahme der angemessenen Kosten der Unterkunft durch den Grundsicherungsträger bei erforderlichem Umzug - Angemessenheit der Kosten der Unterkunft

 

Orientierungssatz

1. Sind die Aufwendungen für die neue Wohnung angemessen und steht dem Grundsicherungsberechtigten die bisher innegehabte Wohnung nicht mehr zur Verfügung, so ist der Leistungsträger nach § 22 Abs. 4 S. 2 SGB 2 verpflichtet, die Zusicherung zur Übernahme für die Kosten der neuen Wohnung zu tragen.

2. Zur Ermittlung der Angemessenheit der Aufwendungen für die Bruttokaltmiete der Zielwohnung ist zunächst die abstrakte Angemessenheit und dann die konkrete Angemessenheit der Aufwendungen nach § 22 Abs. 1 S. 1 und S. 3 SGB 2 zu prüfen.

3. Die abstrakt angemessene Wohnungsgröße für einen Dreipersonenhaushalt beträgt 80 qm.

4. Bei Fehlen eines schlüssigen Konzepts kann das Gericht auf die Angemessenheitswerte nach § 12 WoGG zuzüglich eines Sicherheitszuschlags von 10 % zurückgreifen.

 

Tenor

Auf die Beschwerde wird die den Erlass einer einstweiligen Anordnung ablehnende Entscheidung im Beschluss des Sozialgerichts (SG) Berlin vom 21. Oktober 2021 aufgehoben und der Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern mit Wirkung zum 01. Februar 2022 eine Zusicherung zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die Wohnung Lallee , B, zu erteilen.

Der Antragsgegner trägt die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller für beide Rechtszüge des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens.

Der Antrag der Antragsteller, ihnen für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten zu bewilligen, wird abgelehnt.

 

Gründe

Die Beschwerde der deutschen Antragsteller und Beschwerdeführer - die 1984 geborene, geschiedene Antragstellerin zu 1 und Beschwerdeführerin zu 1 (im Folgenden Antragstellerin zu 1) ist die Mutter des 2012 geborenen Antragstellers zu 2 und Beschwerdeführers zu 2 (im Folgenden Antragsteller zu 2), für den ihr gemeinsam mit dessen Vater, ihrem geschiedenen Ehemann, das Sorgerecht zusteht, und des 2020 geborenen Antragstellers zu 3 und Beschwerdeführers zu 3 (im Folgenden: Antragsteller zu 3), für den ihr das Sorgerecht allein zusteht - ist zulässig und begründet.

Mit ihrer Beschwerde verfolgen die Antragsteller, die unter der im Rubrum genannten Anschrift zusammen in einer Zweizimmerwohnung (Wohnfläche 65 qm) leben und denen der Antragsgegner und Beschwerdegegner (im Folgenden Antragsgegner) jedenfalls seit Juni 2021 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bewilligt hat, zuletzt für Dezember 2021 bis November 2022 (Bescheid vom 02. November 2021; Änderungsbescheid vom 27. November 2021 für Januar 2022 bis November 2022), ihr erstinstanzliches Begehren weiter, den Antragsgegner im Wege einer Regelungsanordnung iS von § 86b Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu verpflichten, ihnen gemäß § 22 Abs 4 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) eine Zusicherung für die Berücksichtigung der Aufwendungen einer Dreizimmerwohnung unter der im Tenor bezeichneten Adresse (im Folgenden Zielwohnung) in Höhe von monatlich 776,72 EUR (Wohnfläche 85,13 qm; Bruttokaltmiete monatlich 725,72 EUR ≪Nettokaltmiete 539,72 EUR, Vorauszahlung Aufzug 23,00 EUR, Vorauszahlung kalte Betriebskosten 163,00 EUR≫; Vorauszahlungen Heiz- und Warmwasserkosten monatlich 51,00 EUR ≪Heizkosten 31,00 EUR und Warmwasser 20,00 EUR≫) zu erteilen, die ab Februar 2022 bezogen werden soll, nachdem der Antragsgegner den entsprechenden Antrag mit (iS von § 77 SGG) noch nicht bindend gewordenem Bescheid vom 20. September 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. September 2021 (über die hiergegen am 30. September 2021 vor dem SG Berlin erhobene, auf die Erteilung einer Zusicherung gerichtete Klage ≪S 34 AS 5950/21≫ ist noch nicht entschieden) abgelehnt hatte.

Die Beschwerde, soweit sie die Antragsteller zu 2 und 3 betrifft, ist nicht verfristet und deshalb unzulässig, weil auf der Aktivseite des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens zunächst allein die Antragstellerin zu 1 nach außen in Erscheinung getreten ist und die Einbeziehung der Antragsteller zu 2 und 3 erst am 07. Dezember 2021 und damit nach Ablauf der einmonatigen Beschwerdefrist (§ 173 Satz 1 und 2 SGG) förmlich angezeigt worden ist (Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom selben Tag, per Fax). Das steht der Wahrung der Beschwerdefrist hier ausnahmsweise nicht entgegen. Denn Antragsteller und Beschwerdeführer des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens war nämlich von Anfang an nicht nur die Antragstellerin zu 1, sondern waren - vor dem Hintergrund des Rechtsschutzziels nach dem so genannten prozessualen Meistbegünstigungsprinzip (vgl hierzu Bundessozialgericht ≪BSG≫, Urteil vom 07. November 2006 - B 7b AS 8/06 R, juris RdNr 11) - neben ihr als in gleicher Weise - wenn auch bisher unerkannt gebliebene - Beteiligte auch die Antragsteller zu 2 und 3, mit denen sie unte...

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