Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsweg. Streitigkeiten über Abrechnung nach der Coronavirus-Testverordnung. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs
Leitsatz (amtlich)
Für Streitigkeiten über die Abrechnung von Leistungen nach § 7 TestV (juris: CoronaTestV 2021-10) ist der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet.
Tenor
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Verweisungsbeschluss des SG Berlin vom 6. Dezember 2022 wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
I.
Die Antragstellerin ist eine im Dezember 2021 gegründete Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit Sitz in Berlin, die ab dem 10. Januar 2022 bis zum 31. Mai 2022 im Auftrag des Gesundheitsamtes S eine Coronateststation zur Durchführung von kostenlosen Bürgertests nach § 4a der Verordnung zum Anspruch auf Testung in Bezug auf einen direkten Erregernachweis des Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronavirus-Testverordnung - TestV) betrieb.
Sie rechnete auf Grundlage von § 7 TestV die erbrachten Leistungen für die Monate Februar, März und April 2022 in Höhe 149.340,80 Euro gegenüber der Antragsgegnerin ab, welche jedoch aufgrund von Auffälligkeiten und zu klärender Widersprüche die Auszahlungen nach § 7a Abs. 5 TestV aussetzte.
Die Antragstellerin hat daher am 29. August 2022 zunächst beim Sozialgericht (SG) Gotha im Wege des Erlasses einer einstweiliger Anordnung die vorläufige Zahlung von insgesamt 90.000 Euro für die durchgeführten Testungen in den Monaten Februar, März und April 2022 beantragt. Mit Bescheid vom 13. September 2022, gegen den die Antragstellerin Widerspruch erhoben hat, hat die Antragsgegnerin einen Vergütungsanspruch der Antragstellerin abgelehnt.
Nach erfolgter Anhörung hat das SG Gotha das Verfahren mit Beschluss vom 1. November 2022 an das SG Berlin verwiesen. Dieses hat nach erfolgter Anhörung mit Beschluss vom 6. Dezember 2022 den Rechtsweg zu den Sozialgerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Berlin verwiesen. Zur Begründung hat das SG Berlin ausgeführt, dass gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet sei, da eine abdrängende Sonderzuweisung zu den Sozialgerichten gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 2 HS 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht vorliege. Es handele sich bei dem Rechtsstreit um keine Angelegenheit der gesetzlichen Krankenversicherung, weil durch den Gegenstand des Streits keine Maßnahmen betroffen seien, die unmittelbar der Erfüllung der den Krankenkassen nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) obliegenden öffentlich-rechtlichen Aufgaben dienten. So gewähre § 20i Abs. 3 Satz 2 Nr. 1b SGB V auch Personen, die nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert seien, einen Testanspruch gegenüber dem örtlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) als Anspruchsgegner. Es sei die Regelung des § 68 Abs. 1a des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG), der die Eröffnung des Verwaltungsrechtsweg für den Impfanspruch nach § 20i Abs. 3 Satz 2 Nr. 1a SGB V ausdrücklich anordne, entsprechend anzuwenden. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Abrechnung der Leistungen gegenüber den Kassenärztlichen Vereinigungen (KV), da diese nicht in ihrer Eigenschaft als Selbstverwaltungskörperschaften gegenüber ihren Mitgliedern handelten, sondern lediglich als Abrechnungsstellen für den ÖGD. Überdies ergäben sich die Rechtsgrundlagen der Abrechnung allein aus der TestV und seien damit nicht im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung geregelt.
Hiergegen hat die Antragsgegnerin am 19. Dezember 2022 Beschwerde erhoben. Sie ist der Ansicht, dass der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet sei, da es sich um eine Angelegenheit auf dem Gebiet der Krankenversicherung handele. Dies ergebe sich bereits aus dem Umstand, dass die Ermächtigungsnorm für den Erlass der TestV im SGB V enthalten sei. Zudem würden die Testungen aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds nach § 14 Abs. 1 Satz 3 TestV in Verbindung mit § 271 Abs. 2 SGB V finanziert und damit aus Mitteln der gesetzlichen Krankenversicherung. Überdies stünden die Abrechnungen der Testleistungen und die Abrechnungsprüfungen in einem engen sachlichen Zusammenhang zu der eigentlichen Tätigkeit der KV. Schließlich sei auch der Verordnungsgeber selbst ausweislich der Begründung der Verordnung von der Zulässigkeit des Sozialrechtsweges ausgegangen. Für eine entsprechende Anwendung des § 68 Abs. 1a IfSG sei mangels Regelungslücke kein Raum.
II.
Die gemäß § 17a Abs. 4 Satz 3 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) i.V.m. §§ 202, 172, 173 SGG form- und fristgerecht erhobene Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
Zu Recht hat das SG Berlin den Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Berlin verwiesen.
Welcher Rechtsweg zulässig ist, ergibt sich aus der Gerichtsverfassung, den speziellen gesetzlichen ...