Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Wiedereinsetzung- Versäumung der Berufungsfrist. plötzliche Erkrankung eines Prozessbevollmächtigten ohne Hilfspersonal. Organisationsverschulden
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Krankheit kann eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur begründen, wenn sie den Beteiligten daran gehindert hat, selbst das Nötigste zu veranlassen, seine Angelegenheiten selbst wahrzunehmen oder einen Dritten damit zu beauftragen.
2. Von einem Rechtsanwalt ist zu verlangen, dass er für die Wahrung laufender Fristen rechtzeitig Vorsorge für den Fall plötzlich eintretender Arbeitsunfähigkeit dadurch trifft, dass ein Vertreter die notwendigen Prozesshandlungen vornimmt. Eine derartige Verpflichtung ist insbesondere dann gegeben, wenn der Anwalt seine Kanzlei allein betreibt und nicht ständig über eingearbeitetes, zum selbständigen Handeln befähigtes Kanzleipersonal verfügt.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. Januar 2008 wird als unzulässig verworfen.
Kosten haben die Beteiligten auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Verpflichtung der Beklagten zur Erstattung/Übernahme der Kosten für die Beschaffung eines nicht verschreibungspflichtigen Medikamentes streitig.
Die Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin auf Übernahme/Erstattung der Kosten mit Bescheid vom 1. Juni 2004, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 21. September 2004, unter Hinweis auf §§ 31 Abs. 1 S. 1, 34 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) ab, wogegen die Klägerin Klage zum Sozialgericht Berlin erhoben hat. Durch Urteil vom 15. Januar 2008, dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 30. Januar 2008 zugestellt, wies das Sozialgericht Berlin die Klage als unbegründet ab. Hiergegen richtet sich die am 6. März 2008 beim Landessozialgericht erhobene Berufung der Klägerin. Gleichzeitig hat die Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist beantragt. Zur Begründung hat ihr Prozessbevollmächtigter ausgeführt, er habe das Datum des Ablaufs der Berufungsfrist sowohl in den Fristenkalender als auch elektronisch vermerkt, er sei jedoch am 29. Februar 2008 erkrankt, weshalb er einen Arzt habe aufsuchen müssen, welcher ihm schmerzlindernde und entkrampfende Injektionen verabreicht habe. Infolge der Erkrankung sei er nicht in der Lage gewesen, eine sitzende Tätigkeit auszuüben. Die Fristversäumung sei unverschuldet, weil er berechtigt gewesen sei, die Berufungsfrist bis zum letzten Tag auszunutzen und er kein kanzleiinternes Personal beschäftige, welches ihn hätte vertreten können, nachdem er unverschuldet erkrankt sei. Zur Glaubhaftmachung hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin ein Attest des Arztes Toben vom 29. Februar 2008 vorgelegt.
Die Beklagte hat beantragt, die Berufung wegen Fristablaufs als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsvorgänge und der Gerichtsakte verwiesen. Diese haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidung geworden.
II.
Der Senat konnte gemäß § 158 Sätze 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss entscheiden. Die Berufung war als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht innerhalb der gesetzlichen Frist eingelegt wurde.
Nach § 151 Abs. 1 SGG ist die Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Diese Frist ist nicht gewahrt. Das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. Januar 2008 wurde dem Bevollmächtigten der Klägerin am 30. Januar 2008 zugestellt, so dass die einmonatige Berufungsfrist am 29. Februar 2008 endete. Die Berufung ist jedoch erst am 6. März 2008, mithin verspätet, eingegangen.
Nach § 67 Abs. 1 SGG ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Der Antrag ist nach § 67 Abs. 2 SGG binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen; die Tatsachen zur Begründung des Antrages sollen glaubhaft gemacht werden.
Der Klägerin war wegen der versäumten Berufungsfrist keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, denn sie war schon nach dem eigenen, durch Vorlage eines ärztlichen Attestes glaubhaft gemachten Vorbringen nicht ohne ihr Verschulden daran gehindert, diese Frist einzuhalten; nach § 73 Abs. 4 Satz 1 SGG in V. m. § 85 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) ist ihr insoweit das Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten zuzurechnen.
Die am 29. Februar 2008 plötzlich aufgetretene Erkrankung des mandatierten Rechtsanwaltes entschuldigt nicht die Versäumung der Berufungsfrist. Da Verschulden grundsätzlich anzunehmen ist, wenn ein Beteiligter diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die für einen gewissenhaften und sa...