Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Gemeinsamer Bundesausschuss. Zweifel an Rechtmäßigkeit des Beschlusses hinsichtlich der Neufassung der Festbetragsgruppe Antianämika, andere. Voraussetzung für Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Festbetragsfestsetzung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Es bestehen Zweifel an der Vereinbarkeit des Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 15.2.2007 über die Änderung der Anlage 2 der Arzneimittel-Richtlinie durch Neufassung der Festbetragsgruppe "Antianämika, andere" der Stufe 2, Gruppen-Nr. 1 mit § 35 Abs 1 SGB 5.

2. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen eine Festbetragsfestsetzung setzt eine offensichtliche Verletzung von subjektiven Rechten der Antragstellerin voraus, die hier nicht vorliegt.

 

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die weiteren Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.500.000,00 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt im Wege vorläufigen Rechtsschutzes die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage vom 06. Juni 2007 vor dem Sozialgericht Berlin (SG) (Aktenzeichen S 81 KR 1781/07) gegen die gemeinsame und einheitliche Festbetragsfestsetzung der beklagten Spitzenverbände der Krankenkassen vom 07. Mai 2007 für “Antianämika, andere„.

In den Festbetrag sind drei verschiedene Substanzen von Erythropoetin einbezogen, konkret Darbepoetin (Handelsname: Aranesp), Epoetin beta (Handelsname: NeoRecormon) und Epoetin alfa (Handelsname: Erypo).

Erythtropoetin (Synonyme Epoetin und - als Dopingmittel bekannt - EPO) ist ein Glucoprotein-Hormon, das als Wachstumsfaktor für die Bildung roter Blutkörperchen während der Blutbildung von Bedeutung ist.

Bei allen drei Medikamentengruppen handelt es sich um Arzneimittel, welches für die Indikationen

- Behandlung der Anämie bei chronischem Nierenversagen bei Kindern und Erwachsenen unter Hämodialysebehandlung

- Behandlung der schweren systematischen renalen Anämie bei Erwachsenen mit Niereninsuffizienz, die noch nicht dialysepflichtig sind,

- Behandlung erwachsener Tumorpatienten mit symptomatischer Anämie, die eine Chemotherapie erhalten und

- Steigerung der autologen Blutgewinnung bei Patienten, die eine Eigenblutspende zur Vermeidung von Fremdblutkonserven insbesondere vor Operationen durchführen,

arzneimittelrechtlich zugelassen sind.

Es handelt sich um eine “Festbetragsgruppe 1 mit parenteralen Darreichungsformen„ (direkt ins Blut). Für den Einzelwirkstoff Darbepoetin war bislang aufgrund des entsprechenden Vorgängerbeschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses als Unterausschuss “Arzneimittel„ gemäß § 91 Abs. 5 Sozialgesetzbuch 5. Buch (SGB V) (G-BA) vom 9. Juni 2005 für Darbepoetin eine Vergleichsgröße von 208 und für Erythropoetin (Epoetin alfa und Epoetin beta) von 42354 festgesetzt worden. Epoetin und Darbepoetin sind danach im Verhältnis 203: 1 austauschbar.

Die Antragstellerin, eine Tochtergesellschaft des J Konzerns, ist ein pharmazeutisches Unternehmen und vertreibt u. a. “Erypo„ in unterschiedlichen Dosierungen.

Am 06. Oktober 2005 beschloss der G-BA ein Anhörungsverfahrens zur Eingruppierung der neuen Darreichungsform “Injektionslösung in einem vorgefüllten Injektor„ in die bestehende Festbetragsgruppe “Antianämika, andere„ einzuleiten.

Das Pharmaunternehmen A GmbH wandte sich in seiner Stellungnahme vom 08. Dezember 2005 gegen eine Einbeziehung, weil es sich u. a. um eine neuartige Wirkungsweise im Sinne einer erheblichen Verbesserung handele, die höher wirksam sei und einen noch über neun Jahre patentgeschützten Wirkstoff betreffe. Wenn eine Einbeziehung erfolge, müssten auch die NeoRecormon Patronen für Reco-pen mit der Wirksubstanz Epoetin einbezogen werden, weil dieses Präparat ihrem Aranesep-Injektor absolut gleichzusetzen sei.

Der G-BA leitete daraufhin am 21. Februar 2006 ein neues Stellungnahmeverfahren zur Aktualisierung der Festbetragsgruppe “Antianämika, andere, Festbetragsgruppen-Nr. 1 in Stufe 2„ ein.

Der Hersteller A wiederholte seine Einwendungen. Die RAG noch als H AG hielt in ihrer Stellungnahme die Streichung der Bezeichnung “Unitdose„ für unzulässig. Gleiches gelte für die neue Darreichungsform “Patrone„, weil damit intravenöse und subkutane Applikationen vermischt würden. Die Darreichungsform “Patronen„ habe speziell für letzteres die Zulassung. Auch sei der Umrechnungsfaktor zwischen den beiden Wirkstoffen auf 1 zu 200 festzusetzen. Die nicht gleichmäßigen Verordnungsanteile der einzelnen Präparate in den zugelassenen Indikationen für die Ermittlung der Vergleichsgröße führten zu starken Verzerrungen. Auch werde nicht berücksichtigt, dass bei Frühgeborenenanämie und frühkindlicher Anämie relativ kleine Wirkstärken zum Einsatz kämen und auch nur NeoRecormon dafür zugelassen sei.

Am 06. September 2006 beschloss der G-BA wiederum ein neues Stellungnahmeverfahren “zur Änderung der Arzneimittelrichtlinie zur Änderung der Anlage 2 der AMR in Stufe 2 (Aktualisierung) für Antianämika, andere„ dur...

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