Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit bei einem Familienhelfer
Orientierungssatz
1. Bei der Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit ist von Ersterer auszugehen, wenn eine Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis nach Weisungen erfolgt und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers vorliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit durch ein eigenes Unternehmerrisiko, eine eigene Betriebsstätte und die freie Verfügung über die eigene Arbeitskraft gekennzeichnet.
2. Für die Tätigkeit eines in der ambulanten Erziehungshilfe des SGB 8 eingesetzten Familienhelfers ist wesentlich, dass er seine Tätigkeit mit dem zu betreuenden Kind oder Jugendlichen in dessen Wohnumfeld erbringt, dabei alleine arbeitet und nicht in einen betrieblichen arbeitsteiligen Prozess eingebunden ist. Die Tätigkeit kann sowohl in der Form einer abhängigen Beschäftigung als auch in einer selbständigen Tätigkeit erbracht werden.
3. Entscheidend für den sozialversicherungsrechtlichen Status ist, wie das Verhältnis des Familienhelfers im Verhältnis zu dessen Auftraggeber im Einzelnen organisiert und ausgestaltet ist.
4. Beruht die vereinbarte Tätigkeit auf einem Vertrag über freie Mitarbeit, hat der Beauftragte das Recht, einen Vertreter zu entsenden, existiert keine Regelung über die Gewährung von Entgeltzahlung im Krankheitsfall oder von bezahltem Urlaub, gibt es kein Weisungsrecht in zeitlicher Hinsicht und existieren keine konkreten Handlungsanweisungen, so sprechen solche Umstände für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit.
5. Dies gilt erst recht dann, wenn der Familienhelfer bei der Ausgestaltung seiner Tätigkeit im Wesentlichen frei ist und er die Art und Weise sowie die inhaltliche Ausgestaltung seiner Betreuung und Förderung des betroffenen Kindes selbständig festlegen kann.
Tenor
Die Berufung wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass berichtigend festgestellt wird, dass die Beigeladene zu 1) in ihrer Tätigkeit bei der Klägerin in dem Zeitraum vom 1. März 2008 bis zum 31. Dezember 2008 nicht der Sozialversicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.
Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Beigeladenen haben jedoch ihre Kosten selbst zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 5.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Im Streit steht, ob die Beigeladene zu 1) (nachfolgend nur noch: “die Beigeladene„) aufgrund ihrer Tätigkeit für die Klägerin in der Zeit vom 1. März 2008 bis zum 31. Dezember 2008 versicherungspflichtig in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung sowie der Sozial- und Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung beschäftigt war.
Die Klägerin ist eine gemeinnützige Gesellschaft bzw. war zur streitgegenständlichen Zeit ein Verein, der Kinder, Jugendliche und Familien im Auftrag Berliner Jugendämter unterstützt auf der Grundlage eines Trägervertrages mit dem Land Berlin vom 30. Januar 2006 und konkreter Hilfepläne des Jugendamtes. Diese Unterstützungsleistungen erbringen sowohl festangestellte Mitarbeiter als auch sogenannte “freie Mitarbeiter„.
Die Beigeladene wurde für die Klägerin auf der Grundlage zweier Verträge im Bereich der Familienhilfe nach § 31 Sozialgesetzbuch Achtes Buch (SGB VIII) und der Betreuungshilfe/Erziehungsbeistandschaft nach § 30 SGB VIII tätig. Wegen des Inhalts der Verträge vom 29. Februar 2008 und 29. September 2008 wird auf Blatt 26 f. der Gerichtsakten verwiesen.
Sie betreute in der Zeit vom 1. März 2008 bis zum 31. Dezember 2008 zwei Fälle und erstellte hierüber an die Klägerin gerichtete Honorarrechnungen (Kopien GA Blatt 33 ff.).
Im streitgegenständlichen Jahr war die Beigeladene auch für die D B tätig.
Die Beigeladene und die Klägerin stellten am 17. April 2008 bei der Beklagten einen Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status der Tätigkeit der Beigeladenen in der ambulanten Erziehungshilfe gemäß SGB VIII bei dem Kläger ab 1. März 2008.
Die Beklagte stellte nach Anhörung mit Schreiben vom 8. Juli 2008 mit Bescheid vom 24. September 2008 gegenüber der Klägerin und der Beigeladenen fest, dass die Beigeladene ihre Tätigkeit als Familienhelferin bei der Klägerin seit dem 1. März 2008 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausübe. Die Versicherungspflicht dem Grunde nach beginne mit dem Tag der Aufnahme der Beschäftigung.
Seit 1. Januar 2009 ist die Beigeladene bei der Klägerin angestellt.
Beide Bescheidadressaten erhoben gegen den Bescheid vom 24. September 2008 Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21. April 2010 zurückwies: Für die Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses spreche bereits, dass im Bereich der sozialpädagogischen Familienhilfe nach dem SGB VIII die Gesamtverantwortung einschließlich der Planungsverantwortung für die Hilfel...