Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einstweiliger Rechtsschutz. Anordnungsgrund. Eilbedürftigkeit. Leistungen für die Vergangenheit. Rechtsschutzbedürfnis. Kosten für eine Krankenversicherung
Orientierungssatz
1. In einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beurteilt sich das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nach dem Zeitpunkt, in dem das Gericht über den Eilantrag entscheidet. Im Beschwerdeverfahren ist dies der Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung.
2. Ein Anordnungsgrund liegt in dringenden Fällen vor, wenn eine Entscheidung im - grundsätzlich vorrangigen - Verfahren der Hauptsache zu spät käme, weil ohne sie schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Vergleiche BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 = Breith 2005, 803).
3. Die Geltendmachung der Übernahme der Aufwendungen der Kosten für eine Krankenversicherung nach § 26 Abs. 3 SGB 2 im Verfahren einstweiligen Rechtsschutzes setzt voraus, dass der Rechtssuchende vor Inanspruchnahme der Gerichte versucht hat, das angestrebte Ergebnis auf einfachere Weise zu erreichen, so durch die Möglichkeit der Herbeiführung einer Verwaltungsentscheidung.
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 3. November 2006 wird zurückgewiesen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für dieses Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe
Die gemäß § 172 Abs. 1 und § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts B vom 3. November 2006 ist unbegründet. Der Antragsgegner war nicht im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller für Oktober und November 2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zu gewähren. Es besteht insoweit keine besondere Dringlichkeit, die den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlich machen würde. Soweit der Antragsteller begehrt, den Antragsgegner zu verpflichten, für die Dauer eines Widerspruchsverfahrens Beiträge für eine freiwillige Krankenversicherung zu übernehmen, fehlt es an einem Anordnungsanspruch.
In einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beurteilt sich das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nach dem Zeitpunkt, in dem das Gericht über den Eilantrag entscheidet; im Beschwerdeverfahren ist dies der Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung (Schoch in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung <VwGO>, 12. Ergänzungslieferung 2005, § 123 Randnummern 165, 166 mit weiteren Nachweisen zur Parallelproblematik in § 123 VwGO). Dies folgt daraus, dass in dem Erfordernis eines Anordnungsgrundes ein spezifisches Dringlichkeitselement enthalten ist, welches im Grundsatz nur Wirkungen für die Zukunft entfalten kann. Die rückwirkende Feststellung einer - einen zurückliegenden Zeitraum betreffenden - besonderen Dringlichkeit ist zwar rechtlich möglich, sie kann jedoch in aller Regel nicht mehr zur Bejahung eines Anordnungsgrundes führen. Denn die prozessuale Funktion des einstweiligen Rechtsschutzes besteht vor dem Hintergrund des Artikels 19 Absatz 4 Grundgesetz (GG) darin, in dringenden Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, in denen eine Entscheidung im - grundsätzlich vorrangigen - Verfahren der Hauptsache zu spät käme, weil ohne sie schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 22. November 2002 - 1 BvR 1586/02 - NJW 2003, S. 1236 und vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - Breithaupt 2005, S. 803). Dies bedeutet aber zugleich, dass die Annahme einer besonderen Dringlichkeit und dementsprechend die Bejahung eines Anordnungsgrundes in aller Regel ausscheidet, soweit diese Dringlichkeit vor dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorgelegen hat, denn insoweit ist die besondere Dringlichkeit durch den Zeitablauf überholt, das Abwarten einer Entscheidung im Verfahren der Hauptsache über den zurückliegenden Zeitraum ist dem Rechtsschutzsuchenden in aller Regel zumutbar.
Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass das Gebot des effektiven Rechtsschutzes nach Artikel 19 Absatz 4 GG in besonderen Fällen ausnahmsweise auch die Annahme eines Anordnungsgrundes für zurückliegende Zeiträume verlangen kann, so insbesondere dann, wenn anderenfalls effektiver Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren nicht erlangt werden kann, weil bis zur Entscheidung im Verfahren der Hauptsache Fakten zum Nachteil des Rechtsschutzsuchenden geschaffen worden sind, die sich durch eine - stattgebende - Entscheidung im Verfahren der Hauptsache nicht oder nicht hinreichend rückgängig machen lassen.
Im Hinblick hierauf kann mit dem Gesuch nach einstweiligem Rechtsschu...