Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Nebenkostennachforderung. aktueller Bedarf im Fälligkeitsmonat. Maßgeblichkeit der Sach- und Rechtslage im Entstehungszeitraum. Einpersonenhaushalt in Berlin. Angemessenheitsgrenze. hinreichende Bestimmtheit der Kostensenkungsaufforderung
Orientierungssatz
1. § 22 Abs 1 SGB 2 erfasst nicht nur laufende, sondern auch einmalige Kosten der Unterkunft. Soweit eine Nachforderung in einer Summe fällig wird, ist sie als tatsächlicher, aktueller Bedarf im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zu berücksichtigen (vgl BSG vom 22.3.2010 - B 4 AS 62/09 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 38).
2. Die Fälligkeit einer Nebenkostennachforderung in einem bestimmten Monat führt nicht dazu, den Bedarf auch materiell diesem Monat zuzuordnen. Vielmehr beurteilt sich die Rechtslage, also Grund und Höhe des geltend gemachten Anspruchs, allein nach den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen des Zeitraums, dem die fragliche Forderung nach ihrer Entstehung im tatsächlichen Sinne zuzuordnen ist (vgl BSG vom 6.4.2011 - B 4 AS 12/10 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 45).
3. Die abstrakt angemessene Bruttokaltmiete belief sich im Jahr 2008 in Berlin für einen 1-Personen-Haushalt auf 308,50 Euro monatlich (vgl LSG Berlin-Potsdam vom 10.5.2012 - L 32 AS 741/11).
4. Zur hinreichenden Bestimmtheit einer Kostensenkungsaufforderung.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. April 2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten über die Übernahme einer im Monat Dezember 2009 fällig gewordenen Nebenkostenforderung für das Jahr 2008 in Höhe von (noch) 568,73 €.
Die 1973 geborene Klägerin bezieht von dem Beklagten seit dem 01. Januar 2005 laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II).
Mit Schreiben vom 15. März 2007 teilte der Beklagte der seinerzeit in der S, B, in einer 65,89 qm großen und fernwärmebeheizten Zwei-Zimmer-Wohnung (Mietvertrag vom 25./28. August 2004) lebenden Klägerin mit, dass die derzeit anfallenden Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) von 440,- € bruttowarm (330,- € Kaltmiete zzgl je 55,- € Betriebs- und Heizkostenvorauszahlungen) über dem Richtwert für einen 1-Personen-Haushalt von 360,- € der Ausführungsvorschriften zur Ermittlung angemessener Kosten der Wohnung gemäß § 22 SGB II (AV-Wohnen) liegen würden und daher unangemessen seien, so dass eine weitere Übernahme der tatsächlichen Kosten nur unter den im Schreiben vom 15. März 2007 näher aufgeführten Voraussetzungen möglich sei. Der Klägerin wurde insoweit die Möglichkeit der Stellungnahme eingeräumt. Sie teilte daraufhin unter dem 20. März 2007 mit, dass sie beabsichtige, sich eine neue Wohnung im Land Brandenburg zu suchen, jedoch nicht wisse, ob dies innerhalb von sechs Monaten möglich sei. Mit Schreiben vom 28. März 2007 teilte der Beklagte mit, dass die Voraussetzungen für eine weitere Übernahme der tatsächlichen KdU nicht vorliegen würden und daher die tatsächlichen Kosten nur noch bis zum 30. September 2007 übernommen werden könnten.
Mit Bescheid vom 12. Juni 2007 bewilligte der Beklagte sodann erstmals für die Zeit vom 01. Oktober 2007 bis 31. Dezember 2007 lediglich noch 360,- € monatlich an KdU-Leistungen. Im Jahr 2008 gewährte der Beklagte der Klägerin für den Zeitraum vom 01. Januar 2008 bis 31. Dezember 2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes einschließlich KdU unter Berücksichtigung eines KdU-Bedarfes i.H.v. monatlich 360,- € (Bescheide vom 04. Dezember 2007, 11. Februar 2008, 25. Februar 2008, 26. März 2008, 17. Mai 2008, 07. Oktober 2008, 15. Oktober 2008, 13. November 2008 und 13. Januar 2009). Die tatsächlichen Kosten betrugen im Jahr 2008 hingegen: Bruttokaltmiete i.H.v. 330,- € zzgl. Vorauszahlungen für Betriebs- und Heizkosten i.H.v. jeweils 55,- €.
Mit Schreiben des Vermieters der Klägerin vom 07. Dezember 2009 forderte dieser die Klägerin binnen 14 Tagen nach Erhalt des Schreibens auf, 745,73 € aus der Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2008 zu zahlen (Betriebskostennachforderung i.H.v. 114,01 € sowie Heizkosten-nachforderung i.H.v. 631,72 €).
Mit Bescheid vom 28. Januar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03. Juni 2010 lehnte der Beklagte den Antrag der Klägerin, der für die Zeit 1. Dezember 2009 bis 31. Mai 2010 KdU-Leistungen i.H.v. monatlich 378,- € bewilligt worden waren (Bescheid vom 5. November 2009), auf Übernahme der Nebenkostennachzahlung mit der Begründung ab, dass seit dem 01. Oktober 2007 nur noch die angemessenen KdU übernommen werden könnten. Aufgrund der erfolgten Deckelung komme die Übernahme der Nebenkostenforderung nicht in Betracht.
Das Sozialgericht (SG) B hat der auf Verurteilung des Beklagten zur Gewährung weiterer KdU-Leistungen für das Jahr 2008 i.H.v. 745,73 € gerichteten Klage unter Abweisung im Übrigen i.H.v. 177,- € stattg...