Entscheidungsstichwort (Thema)
Bedarf eines Auszubildenden i. S. von § 22 Abs. 7 SGB 2. Einstweilige Anordnung. Vollstreckung. Statthaftigkeit. Monatsfrist. Aufhebung. Beschwerde. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Berufsausbildungsbeihilfe. Aufwendungen für Unterkunft und Heizung. Zuschuss
Orientierungssatz
1. Der Bedarf eines Hilfebedürftigen, der für einen Beruf ausgebildet wird, bemisst sich entsprechend § 22 Abs. 7 S. 1 SGB 2 nach den §§ 65 ff. SGB 3. Auf dessen Bedarf sind gewährte Berufsausbildungsbeihilfe, Kindergeld und Ausbildungsbeihilfe anzurechnen.
2. Liegt gegen einen hilfebedürftigen Mieter ein rechtskräftiger Räumungstitel vor und ist der Vermieter nicht bereit, diesen gegen Zahlung rückständiger Mietschulden an den Mieter herauszugeben, so kommt die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zur Sicherung der Unterkunft gemäß § 22 Abs. 5 SGB 2 nicht in Betracht.
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 23. März 2007 aufgehoben.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.
Gründe
Soweit der Antragsteller keine Maßnahmen zur Vollstreckung der ihm am 30. März 2007 zugestellten einstweiligen Anordnung des Sozialgerichts in die Wege geleitet hat (soweit nach der Anordnung Zahlungen bereits - für in der Vergangenheit liegende Zeiträume bzw. den laufenden Monat - zu erbringen waren), ist die Vollziehung der Anordnung nach Ablauf eines Monats unstatthaft geworden (§ 929 Abs. 2 der Zivilprozessordnung [ZPO], dessen entsprechende Geltung § 86 b Abs. 2 Satz 4 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG] ausdrücklich anordnet). Dies betrifft sowohl die vom Sozialgericht angeordnete Leistung eines Mietzuschusses jedenfalls für die Monate Januar bis März 2007 wie auch die - dem Grunde nach - ausgesprochene Verpflichtung, Mietschulden für die Monate Oktober 2006 bis Februar 2007 zu übernehmen. Insoweit ist die Anordnung des Sozialgerichts bereits deshalb - auch auf die Beschwerde der Antragsgegnerin - aufzuheben.
Auch im Übrigen erweist sich die - zulässige (§§ 172 Abs. 1, 173 Satz 1 SGG) - Beschwerde der Antragsgegnerin als begründet.
Der Bedarf des Antragstellers, der für einen Beruf ausgebildet wird, bemisst sich nicht nach den Bestimmungen des Zweiten, sondern - wie auch § 22 Abs. 7 Satz 1 des Zweiten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB II) verdeutlicht - nach den §§ 65 ff. des Dritten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB III) und beträgt 566 Euro monatlich. Dieser Bedarf ist derzeit durch die ihm gewährte Berufsausbildungsbeihilfe in Höhe von 277 Euro monatlich (Bescheid vom 7. März 2007), das an ihn gezahlte Kindergeld (154 Euro monatlich) und die Ausbildungsvergütung in Höhe von 282 Euro monatlich (insgesamt 713 Euro monatlich) gedeckt (wobei insbesondere irgendwelche Freibeträge nach Bestimmungen des Zweiten Buchs des Sozialgesetzbuchs - bspw. nach § 7 Abs. 2 SGB II - nicht abzusetzen sind). Soweit diese Leistungen nicht ausreichen, um auch die - wie im Übrigen insoweit bereits zu Recht das Sozialgericht bemerkt hat - unangemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung vollständig zu decken, reicht dazu - jedenfalls vorläufig bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache - der von der Beklagten nach § 22 Abs. 7 des Zweiten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB II) bewilligte und gewährte Zuschuss im Höhe von 39 Euro monatlich aus.
Im Übrigen wäre der Antragsteller aufgrund der ihm im März 2007 rückwirkend ab Januar 2007 gewährten Berufsausbildungsbeihilfe gehalten und auch in der Lage gewesen, zumindest die für die Monate Januar und Februar 2007 geschuldete Miete zu zahlen, was er freilich jedenfalls bis Mitte Juni 2007 nicht getan hat. Da inzwischen mit dem Anerkenntnisurteil des Amtsgerichts P vom 30. April 2007 ein Räumungstitel vorliegt, zu dessen Herausgabe die Vermieterin auch bei Zahlung der Mietschulden (und der Anwalts- und Gerichtskosten) nicht bereit ist (Mitteilung der Vermieterin an die Antragsgegnerin vom 14. März 2007), könnte die danach allenfalls in Betracht kommende Übernahme der Mietschulden für die Monate Oktober (oder November?) bis Dezember 2006 den Erhalt der Wohnung nicht sichern. Schließlich ist angesichts der augenblicklichen Lage auf dem Berliner Wohnungsmarkt nicht zu erwarten, dass dem Antragsteller - auch bei Verlust seiner jetzigen Wohnung - “Wohnungslosigkeit„ im Sinne von Obdachlosigkeit droht.
Mit dem vorliegenden Beschluss erledigt sich der Antrag der Antragsgegnerin auf Aussetzung der Vollstreckung nach § 199 Abs. 2 SGG.
Die Entscheidung über die Kostenerstattung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 Abs. 1 SGG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Fundstellen